Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Bayern-SPD: Eine Watschn, die lange nachhallt von Christine Schröpf
Geschrieben am 28-06-2015 |
Regensburg (ots) - Ist Florian Pronold der charismatische
Parteichef, den die bayerische SPD nötig hätte? Nein. Hat er die
Kraft, die Genossen im Freistaat aus dem 20-Prozent-Keller zu führen?
Wohl kaum. Doch für die SPD ist er der Beste, den sie zu bieten hat -
schlicht und einfach deshalb, weil sich kein anderer ernsthafter
Kandidat zur Verfügung stellt. Pronold wurde auch deshalb
wiedergewählt, weil niemand sonst den Karen ziehen will. Der urige
Walter Adam war - bei aller Wertschätzung für Mut und Originalität -
keine echte Alternative und wollte das auch selbst so verstanden
wissen. Seine Kandidatur war als Weckruf gedacht. Er wollte
bloßlegen, was bei der SPD im Argen liegt. Hinter der Kritik an der
Parteispitze, die sich in einem miserablen Wahlergebnis für Pronold
entladen hat, verbergen sich aber weit tiefere Probleme. Es geht um
einen erbitterten Richtungsstreit. Pronold steht für die
Pragmatischen in der SPD, die die Nase von der zermürbenden
Oppositionsarbeit in Bayern so gestrichen voll haben, dass sie 2018
als Koalitionspartner für die CSU zur Verfügung stünden. Sie wollen
endlich mitgestalten können. Eine vernünftige Position, wenn auch zur
Unzeit formuliert. Wer weiß, ob die CSU die SPD nach der Landtagswahl
überhaupt nötig hat? Die Gegenströmung in der SPD pocht idealistisch
auf die reine Lehre - auch wegen der kräftigen Bauchschmerzen, die
ihnen die Berliner Koalition bereitet, die Zugeständnisse bei der
Vorratsdatenspeicherung oder beim umstrittenen Freihandelsabkommen
TTIP abnötigt. Die Hoffnung: Eine SPD, die kompromisslos an ihren
Werten festhält, ist für die Wähler am Ende so unwiderstehlich schön,
dass sie die CSU zum Teufel jagt und endlich die SPD zur stärksten
Kraft macht. Verdrängt wird dabei allerdings, dass dieses Modell
schon in den vergangenen Jahrzehnten in keinster Weise funktioniert
hat. Adams 31,7 Prozent offenbaren das Frustpotenzial in der
bayerischen Partei. Das SPD-Urgestein aus Abensberg musste dafür
keine ausgefeilten Konzepte vorlegen, sondern nur sein
sozialdemokratisches Herz in die Waagschale werfen und Ressentiments
gegen Koalitionen mit der Union in Berlin und der CSU in Bayern eine
Stimme geben. Es ist paradox: Die CSU, die sich dieser Tage von
Stromtrassen bis Länderfinanzausgleich verdammt schwer tut, in Berlin
eigene Forderungen durchzusetzen, hält die Reihen geschlossen. Die
SPD, die von Mindestlohn bis Mietpreisbremse einiges durchgesetzt
hat, zweifelt am Nutzen von Regierungsämtern, weil man dort auch
immer wieder zu unliebsamen Kompromissen gezwungen ist. Teil des
genetischen Codes der Sozialdemokraten ist offensichtlich der Hang
zur Unzufriedenheit. Statt sich über ein halbvolles Glas zu freuen,
streitet man über ein halbleeres. Das kann selbstzerstörend sein - im
besten Fall kann es die SPD aber auch voran bringen: wenn der
Denkzettel für Pronold von der Parteispitze tatsächlich als Weckruf
begriffen wird. Die Lehren aus Hirschaid: Ein Parteichef mit derart
schlechtem Ergebnis taugt 2018 in Bayern nicht als Spitzenkandidat.
Es muss eine Alternative gefunden werden. Wenn sich alle weiter
wegducken, ist die Niederlage vorprogrammiert. Es muss sich zudem am
Ton und Stil in der SPD etwas verändern. Wer Koalitionen mit der CSU
in die Diskussion bringt, muss es der Basis besser erklären und
intensiv dafür werben. Die SPD entschuldigt ihre Malaise gerne damit,
dass das Machtgen in den eigenen Reihen nicht so unschön ausgeprägt
ist wie bei der CSU. Sauber. Dann wäre es also ein Zeichen von
starkem Charakter, 2018 - sofern sich die Chance überhaupt bietet -
nicht erst einmal nach einem Zipfel der Macht zu greifen, um die
eigenen Konzepte umzusetzen. Tatsächlich aber ist es notorische
Zaghaftigkeit und das fehlende Vertrauen in sich selbst. Als
Koalitionspartner der CSU muss man nicht automatisch untergehen. Die
SPD könnte auch den Beweis liefern, dass sie es wirklich besser kann.
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Mittelbayerische Zeitung
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