Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu AfD
Geschrieben am 05-07-2015 |
Regensburg (ots) - Selten ist ein Parteichef dermaßen mit Schimpf
und Schande aus dem Amt gebuht worden wie der Wirtschaftsprofessor
Bernd Lucke am Samstag beim Parteikongress der Alternative für
Deutschland. Vor zwei Jahren hatte der biedere Hamburger die Partei
als Sammelbecken der Unzufriedenen mit der Euro- und
Griechenland-Rettungspolitik von Angela Merkel gegründet. Nun jagten
sie ihn in der Essener Grugahalle vom Hof wie einen Aussätzigen.
Bernd Luckes professoral-konservativen Ansichten sind einer großen
Mehrheit der heutigen AfD ganz einfach zu liberal. Die Geister, die
er rief, wurde er nicht mehr los. Essen brachte, so gesehen, die
Niederlage eines politischen Zauberlehrlings. Mit Frauke Petry an der
Spitze haben die Nationalkonservativen und Rechtspopulisten die
Oberhand gewonnen. Auch wenn Petry das nie so sagen würde - diese AfD
ist der verlängerte Arm der Pegida-Bewegung und umgekehrt. Und sie
ist offenbar auch noch stolz darauf. Bernd Lucke packte nach der
Klatsche bei der Wahl des Vorsitzenden eiligst seinen PC und
verschwand wie ein geprügelter Hund von der Bühne. Vielleicht hat er
nun begriffen, dass eine Partei, zumal eine neue und ungefestigte mit
sich bekämpfenden Strömungen nicht zu leiten ist wie ein
volkswirtschaftliches Oberseminar. Luckes Analysen waren bisweilen
brillant, nur die Politik, die er daraus ableitete, war chaotisch,
weltfremd, besserwisserisch. Damit fand er sich in Brüssel plötzlich
in schlechter Gesellschaft mit dem Front National einer Marine le Pen
oder der sogenannten niederländischen Freiheitspartei eines Geert
Wilders. Mit den Rechtsextremen wollten Lucke, Olaf Henkel, einst
Chef des Bundesverbandes der Industrie und heute
AfD-Europaabgeordneter, ganz und gar nichts zu tun haben. Letztlich
mussten die Liberal-Konservativen in der AfD allerdings einsehen,
dass ihre Partei schrittweise weit nach rechts gerutscht war. Dass
Lucke, um seine Anhänger um sich zu scharen, vor Wochen noch den
innerparteilichen Verein Weckruf gründete, war erstens Ausdruck
seiner Ohnmacht und zweitens eine Verkennung der wirklichen
Machtverhältnisse im politischen Sammelbecken namens AfD. Der
Ex-AfD-Chef lieferte damit Petry, Alexander Gauland - der Ex-CDU-Mann
ist Chef der Brandenburger Landtagsfraktion mit viel Verständnis für
Wladimir Putin - und den anderen Nationalkonservativen einen weiteren
Vorwand, um Lucke in die Wüste zu schicken. Bundespolitisch ist die
AfD zuletzt nur noch mit ihrem innerparteilichen Streit
hervorgetreten sowie mit fremden- und flüchtlingsfeindlichen Parolen.
Das dürfte nun so weitergehen. Die AfD ist in dieser Hinsicht drauf
und dran, das Erbe der abgehalfterten NPD anzutreten - nur tritt sie
dabei nicht ganz so derb auf. Vermutlich werden die Lucke-Getreuen,
deren Auszug bereits gestern auf dem Parteitag sichtbar wurde, nun
eine eigene Partei gründen. Einige bleiben vielleicht in der AfD. So
oder so bedeutet die faktisch-politische Halbierung der Partei durch
die Abkehr der Wirtschaftsliberalen eine eklatante Schwächung. Mit
ihrer De-facto-Spaltung könnte die Marginalisierung der AfD
einsetzen. Sie könnte in der politischen Versenkung verschwinden, wie
einst die Schill-Partei, die DVU und bald auch die letzten Piraten.
Eine Zeitlang sah es so aus, als würde sich rechts von der Union eine
halbwegs demokratische konservative Partei etablieren können. Selbst
der Einzug der AfD in den Bundestag, der 2013 knapp verpasst wurde,
schien möglich. Diese Gefahr scheint nun etwas geringer geworden zu
sein. Petry und Co. an der neuen Parteispitze werden allerdings alles
tun, um weiterhin im Revier der Union zu wildern. Die AfD ist erst
einmal geschwächt, aber noch nicht verschwunden.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
570805
weitere Artikel:
- Westfalenpost: Keine Alternative mehr
Von Martin Korte Hagen (ots) - Etwas Gutes hat der Essener Parteitag der AfD ja:
Jetzt wissen alle, woran sie sind. Die AfD rückt noch weiter nach
rechts; sie ist islamfeindlich, nationalistisch, schürt den
Fremdenhass und lehnt den Euro ab. Sie will ein anderes Deutschland,
ein anderes Europa. Mitglieder, die noch mit etwas Vernunft gesegnet
sind, die sich als Anhänger der Realpolitik sehen, werden die Partei
nun verlassen. Die AfD ist keine Alternative mehr für Deutschland.
Bernd Lucke hat den rechten Flügel und dessen Frontfrau Frauke
Petry mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland Bielefeld (ots) - Die Griechen haben »Nein« gesagt. Deutlich und
unüberhörbar. Und nun? Vorerst geht das Ringen weiter - auch wenn
die Verhandlungen immer schwieriger werden und man nie weiter von
einer Lösung entfernt war. Doch so sehr man sich über die Hasardeure
in der hellenischen Regierung ärgern muss, so wenig kann
Griechenland seine Probleme per Volksabstimmung lösen. Im
Gegenteil: Die Nöte Athens sind nur noch größer geworden. Die
Europas allerdings auch. Der in Deutschland verbreitete
Wunsch, mehr...
- Badische Neueste Nachrichten: zu: AfD
Kommentar von Rudi Wais Karlsruhe (ots) - Eine Partei zu gründen, ist nicht schwer, sie zu
etablieren umso mehr. Bernd Lucke hat am Wochenende nichts anderes
erlebt als vor mehr als zehn Jahren der Hamburger Rechtspopulist
Ronald Schill oder zuletzt die Piraten: Im Rausch der ersten Erfolge
hat auch die Alternative für Deutschland begonnen, sich zu
überschätzen, sie hat Menschen angezogen, die in anderen Parteien aus
guten Gründen nie reüssiert hätten, und sich in Personaldebatten
verhakt, die auch den wohlwollendsten Wähler verschrecken.
Pressekontakt: mehr...
- Schwäbische Zeitung: Zum Verhandeln gezwungen / Leitartikel zum Griechenland-Referendum Ravensburg (ots) - Europa steht am Tiefpunkt. Das Brüsseler
Mantra, nach dem die EU aus jeder Krise bislang gestärkt
hervorgegangen ist, scheint nicht mehr zu gelten. Die Grundlage
europäischer Politik, nämlich der Kompromiss zwischen engverbundenen
Staaten, wurde von Griechenlands Regierung als Erpressung
zurückgewiesen. Diese Sichtweise verfing bei einer überraschend
großen Mehrheit der Griechen.
Europa kann dieses eindeutige Ergebnis aber nicht ignorieren und
muss mit der erstarkten griechischen Regierung zurück an den
Verhandlungstisch. mehr...
- Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu Griechenland Stuttgart (ots) - Auf Europa warten schwere Tage. Und harte
Entscheidungen. Die Hilfsmilliarden für Griechenland sind verfallen.
Und frisches Geld in ein Land zu pumpen, das sich überheblich
entschieden hat, die Bedingungen dafür selbst zu bestimmen - wer kann
das hinnehmen? Und so wird man, vom klaren Nein der Griechen
gestützt, in Brüssel und anderen Euro-Hauptstädten kühl darüber
nachdenken, ob man ein Land - auch wenn sich seine Bürger
bereitwillig von ihrer Regierung haben belügen lassen - wirklich um
jeden Preis in der Währungsunion mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|