Börsen-Zeitung: Geschlossene Gesellschaft, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn
Geschrieben am 10-07-2015 |
Frankfurt (ots) - Derzeit kann man schon fast den Eindruck
gewinnen, dass es sich bei den Aktienmärkten um eine "geschlossene
Gesellschaft" handelt. Bis einschließlich zum Beginn der neuen Woche
ist die Börse in Athen, aber zu einem großen Teil auch der Handel
griechischer Aktien und Anleihen im Ausland geschlossen. In China
haben die Behörden angesichts des Crashs im Reich der Mitte den
Handel in einem großen Teil der Aktien an den Festlandbörsen in
Schanghai und Shenzhen ausgesetzt. Die New York Stock Exchange wurde
am Mittwoch durch eine technische Panne stundenlang lahmgelegt.
Trotz der Turbulenzen, die nicht nur die Aktien-, sondern auch die
Devisen-, Anleihen- und Rohstoffmärkte erfassten, sowie der enormen
Unsicherheiten, die weiterhin von China und Griechenland ausgehen,
stand die Woche für den Dax unter positiven Vorzeichen. Die
zweitägige Erholung an Chinas Börsen und die sich verstärkenden
Hoffnungen auf eine Entschärfung der Griechenland-Krise stoppten
vorerst die Talfahrt des Index. Am Mittwoch bis auf 10.653 gefallen,
was im Vergleich zum Rekordhoch von 12.391 Zählern vom 10. April ein
Minus von 1740 Punkten bzw. 14% bedeutete, erholte sich der Index,
ausgehend vom Tief, bis zum Wochenschluss um bis zu 6,4%. Zuletzt lag
er mit einem Wochenplus von 2,3% bei 11.316 Zählern.
Weitere unruhige Wochen
Selbst im Falle einer nachhaltigeren Entspannung der Lage in
Griechenland und an den chinesischen Börsen drohen dem Aktienmarkt
jedoch weitere unruhige Wochen. Gerade bricht die
Quartalsberichtssaison in den USA an, was angesichts der Sorgen
darüber, dass der Aufschwung der amerikanischen Unternehmensgewinne
ausgelaufen sein könnte, für Spannung sorgt. Zudem rückt die erste
Leitzinserhöhung der Fed näher, was ebenfalls für zumindest
vorübergehende Unruhe an den Märkten rund um den Globus sorgen
könnte. Kurzum: Es bleibt noch abzuwarten, ob der Dax bei 10.653
Punkten den Tiefpunkt seiner seit ziemlich genau drei Monaten
anhaltenden Talfahrt erreicht hat.
Die Commerzbank ist zumindest für die Berichte der Dax-Unternehmen
zuversichtlich. "Die Ergebnisse der deutschen Unternehmen dürften im
zweiten Quartal weiter vom schwachen Euro - insbesondere gegenüber
dem US-Dollar - profitiert haben. Folglich dürften die Analysten ihre
Erwartungen für das Umsatzwachstum der Dax-Unternehmen - derzeit
rechnen sie für die nächsten zwölf Monate im Durchschnitt mit einem
Plus von etwa 5% - weiter nach oben revidieren." Trotz des leichten
Anstiegs in den vergangenen Monaten habe der Euro zum Dollar im
zweiten Quartal immer noch 19% unter seinem Niveau vom zweiten
Quartal 2014 gelegen. Zum Teil werde der positive Effekt des
schwachen Euro durch das nachlassende Wachstum in den
Schwellenländern neutralisiert. Immerhin betrage der
durchschnittliche Anteil der asiatischen Emerging Markets am Umsatz
der Dax-Unternehmen bereits über 18%. "Trotzdem sollten insbesondere
Dax-Unternehmen wie K+S, Bayer, Linde, Infineon und Daimler weiterhin
vom schwachen Euro profitieren."
Zenit überschritten
Skeptisch ist die Helaba, die für das dritte Quartal mit einem
Absinken des Dax auf 10.300 Punkte rechnet. Trotz der Korrektur der
vergangenen Wochen seien Aktien noch immer nicht wirklich attraktiv
bewertet. Dies und die näher rückende US-Zinswende - sofern die Fed
nicht doch kneife - drückten das Potenzial bei Aktien. So zeige die
Historie, dass der S&P 500 in Zinserhöhungsphasen in der Regel die
geringsten Kurszuwächse verbucht habe. Während Aktien in früheren
Zyklen in den ersten Monaten nach der ersten Zinserhöhung aber oft
noch zugelegt hätten, würden sich die Bremswirkungen diesmal
möglicherweise früher bemerkbar machen. "Denn anders als in der
Vergangenheit würden die negativen Effekte höherer Zinsen diesmal
nicht durch dynamisches Gewinnwachstum überkompensiert." Vielmehr
scheine der US-Gewinnzyklus seinen Zenit bereits überschritten zu
haben. Die Nettoergebnisse der S&P-500-Unternehmen seien in den
beiden letzten Quartalen bereits rückläufig gewesen. Auch bei in den
kommenden Wochen zur Veröffentlichung anstehenden Zwischenberichten
werde sich wohl erneut ein Rückgang gegenüber dem Vorjahresquartal
einstellen. Der Konsens gehe von einem Rückgang um 6,5% aus. Zwar
reduziere sich angesichts der zurückgeschraubten Erwartungen die
Gefahr von bösen Überraschungen. Ob dies allerdings schon ausreiche,
um Aktien neuen Schwung zu verleihen, sei fraglich.
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