Rheinische Post: Ein vorläufig gutes Ende
des Euro-Pokers
Kommentar Von Antje Höning
Geschrieben am 13-07-2015 |
Düsseldorf (ots) - Zehn Tage lang stand die Währungsunion vor dem
Scheitern. Griechenland rutschte in die Pleite, der Rest Europas
versank im Streit. Dann rauften sich die Staatschefs zusammen und
wendeten das Ende einer großen Idee ab. Das ist die gute Nachricht
der langen Nacht von Brüssel. Mögen Stammtische und
Ökonomie-Professoren seit langem "Grexit!" rufen und wäre ein solcher
für Europa auch verkraftbar - für Griechenland hätte das Aus ein
ökonomisches Desaster bedeutet. Und für das historische Projekt
Europa einen schweren Schlag. Es ist aus vielen Gründen gut, dass
Griechenland im Euro bleibt. Dazu zählt auch, dass die Banken wieder
öffnen und Euro statt wertlose Schuldscheine an die Bürger ausgeben
können. Erleichterung ja, Euphorie nein. Schon morgen, wenn Alexis
Tsipras erste Reformen durch sein Parlament bringen muss, wird sich
zeigen, was seine Unterschrift wert ist. Seine Partei wird ihm
weitgehend von der Fahne gehen, nun muss ausgerechnet der
kommunistische Bürgerschreck auf die bürgerliche Opposition hoffen.
Misslingt das, steht sein Land umgehend wieder am Abgrund. Lange
hatte es so ausgesehen, als wäre Tsipras der beste Spieler im
Euro-Poker. Doch am Sonntag fand er seine Meisterin. Mit der
Ankündigung, notfalls einen "Grexit auf Zeit" durchzusetzen, ließ die
Kanzlerin erstmals eine wirksame Drohung auf den Tisch legen. Wie bei
jedem guten Poker war viel Bluff im Spiel. Denn mit dem
Auszeit-Vorschlag hatte Merkel nicht nur Frankreich und die USA,
sondern auch treue Vasallen wie Österreich gegen sich. Doch erstmals
verstand der griechische Premier, dass es ernst wird. Zumal Hellas
ohne deutsches Geld nicht zu retten ist - das weiß Athen wie Paris.
Bleibt die Frage, wie Tsipras sich so verzocken konnte. Das
Sparprogramm, das er gestern unterschrieb, ist weit härter als das,
was die Geldgeber vor zwei Wochen von ihm verlangt hatten. Er muss
nicht nur Renten- und Steuer-System reformieren, er muss die
verhasste Troika ins Land lassen und Staatsvermögen an einen Fonds
übertragen, der unter europäischer Aufsicht für die Privatisierung
sorgt. Damit bricht Tsipras seine Wahlversprechen und schlägt das
Votum des Referendums in den Wind, dessen Ausrufung die Krise erst
hatte eskalieren lassen. Beim Verlassen des Poker-Tisches hat aber
auch Merkel einen Fehler gemacht. Mit Blick auf ihre Partei verwehrte
sie Tsipras die Chance, als guter Verlierer zu gehen. Als
Innenpolitikerin taktisch gut gedacht, als wirklich große Europäerin
strategisch schlecht gemacht. Das könnte ihr noch leidtun, denn der
nächste Euro-Poker kommt bestimmt.
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Redaktion
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