Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Einigung im Atomstreit mit Iran
Historisches Vertragswerk
Dirk Hautkapp, Washington
Geschrieben am 14-07-2015 |
Bielefeld (ots) - Nach dem Verhandlungsmarathon ist vor den Mühen
der Ebene. Ob sich der Iran wirklich uneingeschränkt an das
historische Vertragswerk von Wien halten wird und lückenlos
nachprüfbar Abstinenz übt gegen alle Verlockungen, vom Atomstaat zur
Atommacht zu werden, kann heute niemand mit Bestimmtheit sagen. Aber
man muss es versuchen. Die Alternativen - Bomben auf Nuklearanlagen,
noch schärfere Sanktionen oder das Verlassen des Verhandlungstisches
ohne Ergebnis - waren immer töricht und bleiben es. Auf beiden Seiten
wird nun die Stunde der Hardliner schlagen. Sie werden die gewiss
vorhandenen Schwachstellen herausstreichen und als Sensation
verkaufen, was von Anfang an klar war: Teheran wird durch den Deal
mitnichten für alle Zeiten am Griff nach der Atombombe gehindert. Es
wird dem Land nur auf Jahre ziemlich schwer und teuer gemacht. Die
US-Republikaner, im Präsidentschaftsvorwahlkampf für 2016 noch
irrationaler als gewöhnlich, werden wenig unversucht lassen, um Obama
den wirkungsmächtigsten außenpolitischen Erfolg seiner Amtszeit zu
zerschießen und als Risiko für den Weltfrieden darzustellen. Erst ein
vom Kongress mit solider Mehrheit mitgetragener Atom-Deal wäre
politisch unumkehrbar und auch für den nächsten Präsidenten fürs
Erste bindend. Bevor sich ab sofort die Fachleute über die von Laien
kaum fassbare Zahl und Funktionsweise von Zentrifugen sowie die
Taktfolge unabhängiger Atomkontrollen beugen werden, darf die
politische Gewichtsklasse der nach 13 mühevollen Jahren erreichten
Verständigung nicht kleingeredet werden. Wien markiert nicht weniger
als das Ende des kalten Krieges zwischen dem Westen und einem Land,
das sich 36 Jahre nach einer zwiespältigen Revolution vor allem mit
Stellvertreterkriegen, verdeckten Attentaten, Vernichtungsdrohungen
gegen Israel und rituellem "Tod dem großen Satan"-Antiamerikanismus
ausgezeichnet hat. Der Iran, Heimstatt großer kultureller Leistungen,
kehrt nun aus der Paria-Ecke in den Kreis der voll
verhandlungsfähigen Staaten zurück. Verhält sich das Land, in dem
sich für 80 Millionen Menschen gestern eine neue Tür geöffnet hat,
vertragskonform, werden auch die letzten Wirtschaftssanktionen
fallen. Und dann? Teheran wird sich beizeiten entscheiden müssen, ob
man im Mittleren Osten weiter nur für den Exportschlager Terrorismus
und einschüchternde Nachbarschaftspolitik bekannt und gefürchtet sein
will. Oder ob friedliche Koexistenz in einer von blutrünstigem
Fanatismus gepeinigten Weltgegend nicht das bessere Zukunftskonzept
ist. Die offizielle Anerkennung des Staates Israel und das Bekenntnis
zum zivilen Interessenausgleich mit dem ewigen Rivalen Saudi-Arabien
wären dazu unerlässlich. Für welchen Weg man sich in Teheran
entscheidet, wird auch maßgeblich davon abhängen, wie fair, würdig
und verlässlich der von Amerika geführte Westen mit dem Atom-Deal
umgeht. Ohne Vertrauensvorschuss und Wohlwollen wird es nicht gehen.
Für Amerika, das noch vor wenigen Jahren unter dem irregeleiteten
George W. Bush die islamische Republik für immer auf der "Achse des
Bösen" verorten wollte, ist das Abkommen ein Pfund, mit dem sich
wuchern lässt. Erst Kuba, jetzt der Iran - die berechtigte Kritik an
dem viel zu früh mit dem Friedensnobelpreis belasteten Präsidenten
Barack Obama darf jetzt ruhig eine Tonlage leiser werden.
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