Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christian Kucznierz zu Zuwanderungsgesetz
Geschrieben am 29-07-2015 |
Regensburg (ots) - Nehmen wir an, wir hätten ein
Einwanderungsgesetz. So, wie es unter Rot-Grün beinahe gekommen wäre,
mit Quoten und Punktesystem nach kanadischem Vorbild, mit dem eine
gesteuerte Zuwanderung nach Deutschland möglich wäre. Hätten die
Städte und Landkreise dann heute keine überfüllten
Flüchtlingsunterkünfte? Wer das glaubt, ist naiv. Wir sind mitten im
Jahrzehnt der Flucht angekommen. Vielleicht in einer Epoche, die
eines Tages als "neue Völkerwanderung" in die Geschichtsbücher
eingehen wird. Doch ein Zuwanderungsgesetz hätte zumindest eines
geleistet: Es hatte Druck abgebaut. Bei den Behörden, die mit der
Zahl der Asylanträge überfordert sind. Bei den Gemeinden, die Angst
haben, dass die Stimmung vor Ort angesichts von immer mehr
Asylsuchenden kippt. Und es hätte damit die Zahl derer reduziert, die
ihre Sätze mit der unsäglichen Floskel "ich habe ja nichts gegen
Ausländer, aber ..." beginnen. Daher ist es gut und wichtig, dass
Union und SPD nun einen neuen Anlauf für ein Zuwanderungsgesetz
unternehmen. Dazu werden beide Seiten ein paar Kröten schlucken
müssen. Am Ende aber verhelfen sie damit einigen Wahrheiten zu einer
breiteren gesellschaftlichen Akzeptanz. Eine dieser Wahrheiten ist,
dass Deutschland immer schon demografischen Wanderbewegungen
ausgesetzt war. Wie sollte es bei einem Land mitten in Europa auch
anders sein? Bislang hat Deutschland davon profitiert. Wer anderes
behauptet, hängt einer nationalen Romantik nach, die einer
Überprüfung unter historischen Gesichtspunkten nicht standhält.
Nationalstaaten sind Gebilde des 18. und 19. Jahrhunderts. Wohin
Nationalismus führt, haben zwei Weltkriege eindeutig bewiesen. Dass
Deutschland immer schon auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen
war, zeigt nicht zuletzt die Geschichte der Gastarbeiter. Eine
weitere Wahrheit ist, dass Deutschland überaltert. Es fehlt
Nachwuchs, in jeder Hinsicht. Kein Baby-Boom könnte das noch ändern.
War ist auch, dass die Welt sich durch die Globalisierung verändert
hat - und dass wir alle daran mitarbeiten, dass sie sich weiter
verändert. Wir leben gut auf Kosten anderer. Unsere
Wirtschaftspolitik trägt dazu bei, dass Arm und Reich in der Welt
ungleich verteilt sind und bleiben. Die Folgen sehen wir in Form von
Booten voller Menschen auf dem Mittelmeer. Zuwanderung ist eine
Chance, keine Bedrohung. Wir leben nicht im Libanon, wo auf tausend
Einwohner 257 Flüchtlinge kommen. Bei uns sind es zwei. Gefordert ist
eine Politik, die Menschen, die in unserem Land gebraucht werden,
verschiedene Wege nach Deutschland öffnet. Dazu gehört auch eine
schnellere Bearbeitung von Asylanträgen, damit Asylsuchende schnell
Klarheit über ihre Zukunft bekommen. Das geht auch ohne "guter
Flüchtling, böser Flüchtling"-Polemik. Die spielt nur den
Salon-Rechten in die Hände, die in dieser Einteilung einen Freibrief
sehen für das Verbalisieren ihrer Fremdenfeindlichkeit unter dem
Deckmantel des "das wird man ja noch mal sagen dürfen". Große
Koalitionen sind immer Ausnahmen im politischen Betrieb. Im besten
Fall können sie aber Gegensätze vereinen und eine Art Konsens
herstellen. Ein Zuwanderungsgesetz wäre ein solcher Konsens. Weil er
die Basis für ein geordnetes Miteinander in der Zukunft legen kann.
Die Sorgen der Gegenwart, die auch, aber eben nicht nur eine Folge
der Versäumnisse der Vergangenheit sind, werden uns freilich noch
länger begleiten.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
572354
weitere Artikel:
- Weser-Kurier: Über Straßenbaubeiträge für Anwohner schreibt Silke Looden: Bremen (ots) - Niedersachsen stellt es den Kommunen frei, ob sie
Anwohner für die Straßensanierung zur Kasse bitten. In der Folge
müssen Hauseigentümer in zwei von drei Gemeinden tief in die Tasche
greifen. Das verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz. Bremen hat es
richtig gemacht. Hier wird Anwohnern nur die Neuerschließung in
Rechnung gestellt, nicht die Grundsanierung - theoretisch. Praktisch
müssen die Anlieger der Turnerstraße dennoch zahlen, weil dort noch
nie Anliegerbeiträge erhoben wurden. Das ist genauso unfair, wie die mehr...
- Weser-Kurier: Über Korruption in der Ärzteschaft schreibt Hans-Ulrich Brandt: Bremen (ots) - Was lange währt, wird endlich gut. Naja, zumindest
der erste Teil dieses Sprichwortes stimmt. Ob es dann wirklich gut
wird, darf allerdings bezweifelt werden. Immerhin: Ein Anfang ist
gemacht, denn lange, viel zu lange, hat es gedauert, bis endlich eine
Gesetzeslücke korrigiert wird, die nur für Kopfschütteln gesorgt hat.
Künftig soll bei Korruption im Gesundheitswesen tatsächlich nicht
mehr mit zweierlei Maß gemessen werden. Es ist in der Tat überhaupt
nicht einzusehen, dass niedergelassene Ärzte nicht unter den
Tatbestand mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Weltbevölkerung Bielefeld (ots) - Zehn Milliarden Menschen auf der Welt müssen
kein Problem sein. Voraussetzung allerdings: Die zusätzlichen
Erdenbürger müssen sich in ihrer Ernährung und Konsumverhalten am
durchschnittlichen Afrikaner orientieren und nicht an den
Nordamerikanern und Europäern.
Doch obwohl nach der neuen UN-Prognose der meiste Zuwachs in
Afrika erwartet wird, wird genau dies nicht geschehen. Denn in der
heutigen globalisierten Welt bleibt nicht geheim, wie
verschwenderisch zum Beispiel die Deutschen mit Nahrungsmitteln mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Flüchtlingspolitik Bielefeld (ots) - So beschämend die Attacken auf die Unterkünfte
für Flüchtlinge sind, so beschämend ist auch der politische Umgang
mit dieser wahrscheinlich auf lange Sicht größten Herausforderung für
die deutsche Gesellschaft - und für ganz Europa.
Es ist ein Trauerspiel, wie verkrampft und ideologisch die
Parteien mit dem Problem - und die Mehrheit der Bevölkerung nimmt es
als Problem wahr - umgehen. Vorläufiger Tiefpunkt: SPD-Vize Thorsten
Schäfer-Gümbel bietet der Union einen Handel an. Stimmen CDU/CSU
einem Einwanderungsgesetz mehr...
- Schwäbische Zeitung: "Merkwürdige Logik" - Leitartikel zur Einwanderungsregelung von Deutschland Ravensburg (ots) - Ein Einwanderungsgesetz soll es nun richten.
Oder doch nicht? Und was genau soll es richten? Sicher ist im Moment
nur: Hier wird kunterbunt vermengt, was korrekterweise sauber zu
trennen wäre. Aber irgendwie scheint es ja um alle Varianten von
Zuwanderung zu gehen - vom Kriegsflüchtling bis zum Hochschullehrer.
Entsprechend bescheiden ist das Niveau der sachlichen
Auseinandersetzung mit dem Thema. SPD, Grüne und Linke argumentieren,
es würden deutlich weniger Asylsuchende kommen, wenn es endlich ein
Einwanderungsgesetz mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|