Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu Flüchtlinge/De Maizière
Geschrieben am 20-09-2015 |
Regensburg (ots) - Nein, Angela Merkel muss sich nicht dafür
entschuldigen, dass sie Tausende in Ungarn gestrandete
Syrien-Flüchtlinge ins Land kommen ließ. Hätte sie auf die knarzigen
Bedenken von Horst Seehofer gehört und nichts getan, hätten wir
wahrscheinlich noch schlimmere Bilder des brutalen Umgangs mit ihnen
ansehen müssen, als es ohnehin gibt. Die - etwa in der
Griechenland-Krise - als herzlos abgestempelte Kanzlerin gab der Welt
ein Beispiel tätiger Mitmenschlichkeit. Sie hat die Bedenkenträger
von Budapest über London bis Kopenhagen und Warschau beschämt. Die
wollen dem Signal der Humanität und Menschenwürde nicht folgen.
Deutschland dagegen erlebt ein unerwartetes Septembermärchen der
Hilfsbereitschaft. Das ist nicht nur gut gemeint, sondern auch gut
getan. Und das bleibt. Ein wenig erinnern diese Tage an die Zeit nach
dem Wahnsinn des Mauerfalls. Man lag sich für einen Moment
freudetrunken in den Armen. Danach gab es einen Kater. Die Mühen des
Zusammenwachsens von Ost und West halten bis heute an. Merkel hat dem
Land mit ihrer unter dem Gesichtspunkt der Humanität alternativlosen
Entscheidung zugleich eine gewaltige Herausforderung beschert. Das,
was jetzt an Aufnahme, Unterbringung, Betreuung und Integration von
Hunderttausenden Flüchtlingen zu leisten ist, hat durchaus die
Dimensionen der Wiedervereinigung. Auch seinerzeit gab es
Kleingeister, die zweifelten. Allerdings auch einen Kanzler, der
unvorsichtigerweise von rasch blühenden Landschaften fabulierte. Es
mag sein, dass Merkel selbst von der Wucht der Probleme überrascht
ist, die ihre Entscheidung nach sich zog. Die jetzige Herausforderung
geht an die Grenzen der Verwaltungen, der Aufnahmefähigkeit, der
Hilfsbereitschaft, der Kooperation zwischen Bund, Ländern,
Landkreisen und Kommunen - weniger an die finanziellen Möglichkeiten
des Landes, in dem gerade die Steuereinnahmen sprudeln. Die
erwarteten Kosten sind gewiss kein Klacks, doch sie sind darstellbar.
Zugleich ist die Aufgabe die größte Herausforderung für Innenminister
Thomas de Maizière. Er beriet einst seinen Cousin und letzten
DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière in schwierigen rechtlichen
Fragen der Einheit. Nun ist er angeschlagen. Das Bundesamt für
Flüchtlinge in Nürnberg ist in der jetzigen Struktur und
Personalstärke der Aufgabe nicht gewachsen, die Vernetzung zu anderen
Behörden vorsintflutlich. Dass de Maizière den Chef der Bundesagentur
für Arbeit letzte Woche gewissermaßen zum Multitasking-Chef beider
Behörden machte, zeigt einerseits, wie sehr er die
Managementqualitäten des Reserveoffiziers Frank-Jürgen Weise schätzt.
Zugleich aber ist Weise de Maizières letztes Aufgebot. Zugleich muss
der Bundesinnenminister noch in anderer Weise tätig werden, als nur
die deutschen Grenzen kontrollieren zu lassen. Er muss die
Christsozialen halbwegs befrieden, die schon lange auf das Prinzip
Sach- statt Geldleistungen pochen. Obendrein will de Maizière die
Leistungen für diejenigen kürzen, die keinen Anspruch auf Asyl haben.
Da der Jurist de Maizière die eindeutige Rechtssprechung von
Karlsruhe kennt, dürfte dies nicht viel mehr als eine
Beruhigungspille für Seehofer, Herrmann und Co. sowie die Stammtische
sein. Mit seiner "Vision" von festen EU-Kontingenten für die Aufnahme
von Flüchtlingen dürfte der ministerielle Krisenmanager allerdings
erst recht auf Granit beißen. Das schaffte auch "Mutti Barmherzig"
nicht. Doch ohne eine europäische Regelung und ohne wirkliche Hilfen
in den Konfliktregionen selbst sind auch in Deutschland die Grenzen
des Willkomens vielleicht bald erreicht.
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Mittelbayerische Zeitung
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