Weser-Kurier: Leitartikel von Ralph Schulze über Katalonien
Geschrieben am 27-09-2015 |
Bremen (ots) - Der Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien treibt
einen Keil in das spanische Königreich. Der Graben zwischen der
eigenwilligen Mittelmeerregion und dem restlichen Land wird seit
Jahren tiefer. Der drohende Bruch der staatlichen Einheit ist die
größte Herausforderung für die spanische Demokratie. Wie konnte es
soweit kommen? In einem Europa, das doch eigentlich zusammenwachsen
will? In einer EU, die erstmals in der Situation ist, dass ein
Mitgliedsstaat sich in zwei Nationen aufspalten könnte? Übertriebener
Nationalismus, der blind macht für die wahren gesellschaftlichen
Probleme und auch Kataloniens Unabhängigkeitsparteien ernährt, spielt
bei derartigen Konflikten immer eine Rolle. Aber im Falle der
wachsenden Entfremdung zwischen Katalonien und Spanien kommt ein
entscheidendes Element hinzu: der völlige Mangel an
Dialogbereitschaft und Diplomatie in Madrid. Jahrelang sind die
Katalanen von der konservativen Zentralregierung gedemütigt worden.
Spaniens hölzerner Regierungschef Rajoy, der alle Rufe nach mehr
Anerkennung, Mitsprache und Selbstverwaltung mit einem kalten "No"
abschmettert, hat diese Krise kräftig angefacht. Sogar die
katalanische Regionalverfassung, die von Spaniens Parlament gebilligt
worden war, ließ Rajoy aushebeln. Das brachte das Fass zum
Überlaufen. Unabhängigkeitskonflikte lassen sich anders handhaben,
wie man im britischen Schottland oder kanadischen Quebec sehen
konnte. Dort durften die Bürger, was man den Katalanen verbot: Ganz
legal per Referendum über die Unabhängigkeit abstimmen. In beiden
Fällen entschied die Mehrheit gegen die Abspaltung. Dass die
Katalanen im Herzen keine Fanatiker, sondern freundliche Zeitgenossen
sind, wissen Millionen von Urlaubern. Die Tatsache, dass Katalonien
und nicht Mallorca oder die südliche Costa del Sol das beliebteste
Ferienziel Spaniens ist, spricht für sich. Für die Feriengäste dürfte
sich auch bei einer Abspaltung langfristig nicht allzu viel ändern.
Nur dass die Touristen dann eben nicht mehr in Spanien Urlaub machen,
sondern in der "Katalanischen Republik".
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Weser-Kurier
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