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Börsen-Zeitung: Nur keine Beißhemmung! Kommentar zu Anacredit von Detlef Fechtner

Geschrieben am 28-09-2015

Frankfurt (ots) - Erst kürzlich hat die Bundesregierung einmal
mehr daran erinnert, wie wichtig aus ihrer Sicht die strikte Trennung
von Geldpolitik und Bankenaufsicht ist. Mancher wird fragen, warum
das der Erwähnung bedürfe. Darüber bestehe doch in Euroland ohnehin
Einvernehmen. Wirklich? So sicher sollte man sich da nicht sein. Denn
seit Start der Euro-Aufsicht machen sich im Grunde nur noch die
Deutschen einen Kopf darüber.

Dabei ist just im Moment anschaulich zu besichtigen, was die
Doppelrolle der Europäischen Zentralbank konkret bedeutet. Es geht
wieder einmal um das Aufregerthema Anacredit. Dieses Melderegister
für Kredite ist umstritten, weil die Banken hohe Kosten fürchten und
nicht verstehen können, warum solch große Datenmengen für solch
kleine Kredite benötigt werden. Zugleich werfen EU-Abgeordnete den
Notenbankern unangemessene Sammelwut vor, die mit Prinzipien des
Datenschutzes unvereinbar sei.

Es mag ein Zufall sein - aber eben einer, der nachdenklich stimmen
sollte -, dass EZB-Chef Mario Draghi jüngst im EU-Parlament wie
gewohnt alle Fragen freihändig beantwortete - außer zum Thema
Anacredit. Das war der Moment, als Draghi eine vorgefertigte Antwort
vom Blatt ablas. Gut möglich, dass der EZB-Chef demnächst noch öfter
ungewohnt defensiv auftreten muss. Im EU-Parlament startet gerade die
Mobilisierung für eine Kampagne gegen Anacredit. Der zuständige
Fachausschuss will keine Ruhe geben, die EU-Bürgerbeauftragte wird
eingeschaltet, um sich mit der EZB anzulegen - und es gibt Drohungen,
bei Bedarf vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen.

Für die EZB wäre es gewiss eine neue Erfahrung, von einem anderen
EU-Organ so frontal angegriffen zu werden. Bisher sind alle
Begegnungen des Parlaments mit der EZB von einem besonderen Respekt
geprägt, um nicht in den Ruch zu kommen, die Unabhängigkeit der
Zentralbank anzugreifen. Doch in der Frage des Kreditmelderegisters
geht es mindestens genauso sehr um Aufsicht wie um Geldpolitik. Die
Proportionalität und Sinnhaftigkeit von Anacredit in Frage zu stellen
ist daher kein Angriff auf die Unabhängigkeit der EZB, sondern die
legitime, ja notwendige demokratische Kontrolle einer Behörde. Es ist
zu hoffen, dass die EU-Parlamentarier keine Beißhemmung haben - aus
Sorge, die Reputation der EZB zu beschädigen. Solcherlei Bedenken
wären ein fatales Missverständnis - und Beleg dafür, dass es allzu
gute Gründe dafür gibt, auf die strikte Trennung von Geldpolitik und
Aufsicht in Euroland zu pochen.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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