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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Kita-Streit

Geschrieben am 30-09-2015

Bielefeld (ots) - Verdi-Chef Frank Bsirske hat am Anfang der
Verhandlungen nicht weniger gefordert als eine generelle Aufwertung
der Erzieher- und Sozialdienstberufe. Das ist jetzt sieben Monate
her. Aus der Forderung nach zehn Prozent Lohnsteigerung sind nun im
Schnitt 3,3 bis 3,73 Prozent geworden. Trotzdem soll es »spürbare
Verbesserungen« geben. Der Verdi-Boss versteht sich in Schönfärberei
- und dabei geht es ihm nicht nur um die Basis, sondern auch um sich
selbst. Die Eckdaten des Kompromisses unterscheiden sich nicht
elementar von den Vorschlägen aus dem Sommer. Diese hatte die Basis
Bsirske um die Ohren gehauen. Nun sind es nur neun Millionen Euro
mehr bei Gesamtkosten von 315 Millionen Euro, die die Kommunen
berappen müssen, sollte die Basis diesmal zustimmen. Das ist kein
großer Wurf. Zufrieden können Erzieherinnen und Sozialarbeiter damit
nicht sein. Doch ihr Handlungsspielraum ist begrenzter. Standen die
meisten Eltern lange während der Tarifverhandlungen klar hinter den
Kita-Beschäftigten, bröckelte die Solidarität im Laufe der Zeit. Das
liegt weniger daran, dass sie die Forderung nach mehr Gehalt nicht
mehr unterstützen, sondern daran, dass sie mürbe sind. Sieben Monate
Verhandlungen hießen auch vier Wochen Streik und die ständige Angst
vor neuen Streiks. Die Stimmung in der Elternschaft wird so manche
Erzieherin bei ihrer Abstimmung über den jetzigen, wenig
durchschlagenden Kompromiss im Hinterkopf haben. Viele Betroffene
werden es nicht wagen, einen solchen Beschluss noch einmal zu kippen.
Damit rechnet Bsirske. Er hofft, dass die Kita-Beschäftigten dem Ende
des Streits mehr Gewicht geben als der Tatsache, dass er sich mit
seiner dreimal höheren Lohnforderung zu weit aus dem Fenster gelehnt
hat. Hohe Forderungen sind in Gewerkschaftskreisen zwar Usus. Aber in
diesem Falle schoss Bsirske über das Ziel hinaus. Er weckte
unerfüllbare Erwartungen. Auch wenn er inhaltlich recht hat:
Sozialberufe gehören aufgewertet. Dazu braucht es aber mehr als
einen mittelmäßigen Tarifabschluss. Wenn Bankkaufleute oder
Steuerberater mehr Wertschätzung genießen als Krankenschwestern oder
Erzieher, stimmt etwas Grundsätzliches nicht. Da hilft auch etwas
mehr Geld nichts. Die Denke der Gesellschaft muss sich verändern.
Leider ist auch der Verhandlungszeitpunkt mit Kommunen als
Arbeitgeber der denkbar schlechteste. Sie ächzen unter dem
Flüchtlingsstrom und scheuen jede finanzielle Mehrbelastung. Eine
skurrile Lage: Schließlich sind gerade Kitas angesichts von immer
mehr Flüchtlingskindern besonders förderungsbedürftig. Das war bei
den Verhandlungen aber kein Thema. Für Bsirske geht es um alles. Da
kann er noch so sicher tun. Wird sein jetzt ausgehandelter Kompromiss
erneut von der Basis vom Tisch gefegt, ist seine Karriere als
Verdi-Boss beendet.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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