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Börsen-Zeitung: Mit Samthandschuhen, Kommentar zu den Atomrückstellungen von Andreas Heitker

Geschrieben am 12-10-2015

Frankfurt (ots) - Die Bewertung des Stresstests zu den
Atomrückstellungen durch die Bundesregierung ist auf den ersten Blick
erstaunlich positiv ausgefallen. Aus dem Gutachten ergebe sich kein
neuer Handlungsbedarf, lässt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel
verkünden. Die Unternehmen seien in der Lage, die Kosten des
Atomausstiegs auch auf Basis der aktuellen Rückstellungen zu tragen.
Und die Szenarien, die die Wirtschaftsprüfer ebenfalls berechnet
hatten, und die milliardenschwere Lücken in der aktuellen
Bilanzierung zeigen würden, seien "unwahrscheinlich".

Bereits im September, als erste Spekulationen über möglicherweise
fehlende 30 Mrd. Euro in den Rückstellungen der deutschen Versorger
die Runde machten, war Gabriel den Unternehmen schnell öffentlich zur
Seite gesprungen. Ganz offensichtlich hat auch in Berlin niemand ein
Interesse daran, Eon, RWE & Co noch weiter zu schwächen und damit im
schlimmsten Fall eine Pleite der Unternehmen zu gefährden.

Die Folgen nicht nur für die Versorgungssicherheit im Land,
sondern auch für die Steuerzahler wären ja auch kaum zu überblicken.
Die heftigen Marktreaktionen beim sensiblen Thema Rückstellungen sind
angekommen - die Politik hat die Samthandschuhe angezogen.

Dies bedeutet nicht, dass dem Stresstest keine große
Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Im Gegenteil: Die von Gabriel
beauftragten Wirtschaftsprüfer haben erstmals Transparenz in die
Rückstellungsdebatte gebracht. Viele Studien und Analysen wurden zu
dem Thema in den vergangenen Monaten veröffentlicht. Immer wieder kam
der Verdacht auf, dass die Unternehmen nicht genügend Vorsorge
getroffen haben. Jetzt liegen erstmals auch belastbare Fakten auf dem
Tisch. Dies sollte die weitere politische Diskussion wieder
versachlichen.

Die Wirtschaftsprüfer selbst haben in ihrer Studie darauf
verwiesen, dass Rückstellungen Schulden seien, die hinsichtlich ihrer
Höhe und Fälligkeit ungewiss seien und ihre Bewertung naturgemäß
immer eine Bewertung von ungewissen Prognosen sei. Diese Ungewissheit
spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Szenarien wider, die eine
Spannbreite bei den erforderlichen Rückstellungen von 29 bis 77 Mrd.
Euro zeigen.

Die Spannbreite macht die Risiken deutlich, die auf die Konzerne
noch zukommen könnten. Eine Kommission soll nun den Rahmen für die
weitere Abwicklung der Atomkraft in Deutschland finden. Die Versorger
sollten alles daran setzen, schnell eine Verständigung zu erreichen.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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