Börsen-Zeitung: Ansage aus China, Marktkommentar von Kai Johannsen
Geschrieben am 23-10-2015 |
Frankfurt (ots) - Wenn irgendeiner ein glückliches Händchen für
ein optimales Timing hat, dann sind es wohl die Chinesen. Am Montag
der neuen Handelswoche packen die Mitglieder des
Offenmarktausschusses der US-Notenbank Fed ihre Unterlagen zusammen
für ihre am Dienstag beginnenden zweitägigen geldpolitischen
Beratungen, und kurz vor dem Wochenende machen ihre Kollegen aus
China sie dann noch eindrucksvoll auf einen nicht ganz unbedeutenden
Tagesordnungspunkt aufmerksam: Die konjunkturelle Lage in den
Schwellenländern, insbesondere natürlich im Reich der Mitte, ist
derzeit ausgesprochen fragil. Das sollten die US-Notenbanker bei
ihren Beratungen zumindest mal im Hinterkopf behalten. Oder etwas
deutlicher: Eine Zinsanhebung im fernen Amerika passt da momentan
überhaupt nicht ins Bild - zumindest aus Sicht der Chinesen. So kann
man die Zinssenkung seitens der chinesischen Zentralbank am Freitag
der gerade zu Ende gegangenen Handelswoche auch interpretieren.
Gleicht einem Déjà-vu: Die Mehrheit der Marktteilnehmer hatte sich
seit dem Frühjahr darauf eingestellt, dass die USA im Herbst - sprich
im September - ihre erste Leitzinsanhebung seit der Finanzkrise
durchführen und damit die Leitzinswende einleiten werden. Mit ihren
Währungsabwertungen im August machten die Chinesen nur kurze Zeit vor
dem entsprechenden September-Meeting auf ihre schwache konjunkturelle
Verfassung aufmerksam. Viele Marktakteure glaubten seinerzeit, dass
die US-Notenbanker sich von den Chinesen dadurch nicht diktieren
lassen würden, wie der geldpolitische Pfad inklusive des Datums der
ersten Leitzinsanhebung seit der Finanzkrise auszusehen hätte.
Fed wartet lieber ab
Aber die US-Notenbanker verwiesen später doch darauf, dass die
Entwicklungen in Übersee, also die Verfassung der Schwellenländer und
die damit einhergehenden Turbulenzen auf den Finanzmärkten bei der
Entscheidung, lieber doch noch mit dem US-Zinsschritt abzuwarten,
einer Rolle gespielt hätten.
Seitdem war es an den Märkten mit Blick auf China wieder ruhiger
geworden. Größere Kursstürze oder sehr viel stärkere Volatilitäten
hatte es in dieser Hinsicht nicht mehr gegeben. Die makroökonomischen
Daten aus dem Reich der Mitte signalisierten indes weiter, dass es um
die Konjunktur Chinas derzeit nicht zum Besten bestellt ist.
Genau diese Signale sendete die chinesische Zentralbank am Freitag
denn auch noch mal aus. Nach der sechsten geldpolitischen Lockerung
seit November vergangenen Jahres deuteten die Zentralbanker darüber
hinaus ihre Bereitschaft an, bei Bedarf noch nachzulegen. Denn die
Wirtschaft sei von Abwärtsrisiken bedroht. Chinas Ministerpräsident
Li Keqiang schlug verständlicherweise in die gleiche Kerbe. Er will
auch die Instrumente der Haushaltspolitik nutzen, um die schwächelnde
Wirtschaft des Landes wieder auf Fahrt zu bringen. Alles in allem
stehen die Zeichen damit in China auf weitere Lockerung - mit allen
Mitteln eben.
Aber wäre ohne die Ansage aus China nun mit einer Zinsanhebung in
den USA zu rechnen (gewesen). Das lässt sich wohl fast schon
ausschließen. Die Datenlage und damit die Verfassung der
US-Konjunktur inklusive der Entwicklung an der Preisfront hat sich
gegenüber dem September-Meeting nun nicht derart entwickelt, dass
eine Zinsanhebung unausweichlich wäre. Vielmehr gestaltet sich die
Datenlage derart, dass auch in diesem Monat bei der Fed wohl eher die
Neigung zum weiteren Abwarten Vorrang hat.
Mit Blick auf eine etwaige US-Zinsanhebung sollten auch zwei
weitere wichtige Aspekte nicht vergessen werden. Den ersten
Zinsschritt seit der Finanzkrise werden die US-Notenbanker der
(Investoren-)Öffentlichkeit sicherlich gern persönlich erklären und
nicht nur einfach schriftlich mitteilen wollen. Dafür gibt es
Pressekonferenzen. Eine solche wurde für das Oktober-Meeting
(bislang) nicht angesetzt.
Des Weiteren wollen die US-Notenbanker auch sicherlich Einigkeit
bei diesem Zinsschritt signalisieren. Die Kommentare aus den Reihen
der Fed lassen aber genau diese Einigkeit überhaupt nicht erkennen.
Die ersten Fed-Vertreter bringen nämlich schon das Jahr 2016 als
geeigneten Zeitpunkt für eine Zinsanhebung ins Spiel und nicht mehr
Dezember dieses Jahres.
Charles Evans, Präsident der Fed von Chicago, erklärte vor einigen
Tagen, dass der beste Zeitpunkt für eine Zinswende Mitte 2016 sei. An
den Märkten konzentrieren sich viele Akteure indes immer noch auf
Dezember dieses Jahres als Zeitpunkt für die US-Zinsanhebung. Bleibt
abzuwarten, was sich die Chinesen für dieses Meeting ausdenken
werden.
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Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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