Mittelbayerische Zeitung: Kleine Schritte zur Reform - Die Familiensynode bringt kaum greifbare Ergebnisse, doch zumindest wurden keine Türen zugeschlagen. Von Julius Müller-Meiningen
Geschrieben am 25-10-2015 |
Regensburg (ots) - Die Revolution ist ausgeblieben auf der
Bischofssynode im Vatikan. Umstürzende Botschaften hatte angesichts
der Zerstrittenheit der Bischöfe über den Kurs der katholischen
Kirche auch niemand erwartet. Im Gegenteil: Die von Papst Franziskus
zu einem Perspektivwechsel gedrängte Kirche, schien auf der Stelle zu
treten bei der Frage, wie viel Wirklichkeit die Doktrin verträgt. Die
reformorientierten Kräfte im Episkopat loben nun das Ergebnis der
Versammlung. Vom Papst aufgestoßene Türen seien nicht zugegangen,
sondern offen geblieben. Beim Symbolthema der wiederverheirateten
Geschiedenen deutete sich gar eine zaghafte Öffnung an. Fortan, so
empfehlen die Bischöfe mit knapper Mehrheit, sei der Empfang der
Sakramente nicht mehr ausgeschlossen, sondern letztendlich einer in
Beichte und Buße ausgereiften Gewissensentscheidung vorbehalten. Was
auf die meisten Menschen wie ein unverständlicher und letztlich
erniedrigender Kniefall wirken muss, ist für die katholische Kirche
ein Schritt nach vorne. Papst Franziskus hat den Reformprozess mit
einer Umfrage unter den Gläubigen angestoßen. Das Ergebnis nach zwei
Jahren Beratung ist für alle, die einen grundsätzlichen Wandel der
Kirche für möglich hielten, enttäuschend. Die Bischöfe, zu 90 Prozent
in den Pontifikaten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. berufen,
tun sich unendlich schwer mit der Haltung, weniger zu verurteilen,
sondern in erster Linie positive Elemente in menschlichen Beziehungen
zu erkennen, die nicht dem katholischen Ideal der sakramentalen Ehe
entsprechen. Das Abschlussdokument der Synode spiegelt dieses Ringen
um den Kompromiss trefflich wider. Etwa, wenn die Rede von positiven
Elementen in nicht ehelichen Beziehungen die Rede ist, im selben Satz
aber auf die dogmatische Klarheit der Botschaft des Evangeliums
gepocht wird. Bei der Debatte um den Umgang mit Homosexualität gab es
keine Bewegung, im Gegenteil. Ein Drittel der Synodenväter stellt
sich gegen den aus der deutschen Sprachgruppe hervorgegangenen
Vorschlag, den Zugang zur Kommunion für wiederverheiratete
Geschiedene in Anlehnung an ein Dokument von Johannes Paul II. aus
dem Jahr 1981 zu regeln. Der von Papst Franziskus vorgezeichnete Weg
zu einer offeneren, weniger urteilenden Kirche ist noch sehr weit. Ob
die Reform mit Papst und Bischöfen im Gleichschritt gelingen kann,
ist vor allem eine Frage der Zeit. Mitentscheidend ist, wie viele
Jahre Franziskus noch im Amt bleiben wird. Zum einen hängt davon ab,
wie viele Bischöfe und Kardinäle er in diesen Jahren ernennen wird,
die dann die Richtung der Kirche mitbestimmen. Noch auf Jahre hinaus
werden die von seinen beiden Vorgängern in 35 Jahren berufenen
Prälaten das Gesicht der katholischen Kirche prägen. Daher auch die
Schwierigkeiten beim Perspektivwechsel, weg von der überstrengen und
lebensfremden Sexualmoral. Zum anderen bleibt die Frage, wie sehr der
Papst die amtierenden Bischöfe für seinen Kurs der Barmherzigkeit
gewinnen kann. Was auch nach der Familiensynode bleibt, ist das
Paradox, in das Franziskus seine Kirche geführt hat, und aus dem noch
kein Ausweg sichtbar ist: Der Papst will nicht nur Bewegung von
seinen Bischöfen, er wünscht sich von ihnen auch programmatische
Inhalte. Die Bischöfe hingegen sind nach Jahrzehnten des Gehorsams
gegenüber Rom nur bedingt zum Dialog, geschweige denn zu mutigen
Schritten fähig. Sie flehen den Papst förmlich um ein lehramtliches
Schreiben an, in dem die strittigen Fragen letztinstanzlich geklärt
werden. Ob Franziskus diesen aus Unvermögen resultierenden Wunsch
erfüllen wird, ist zweifelhaft. Ihm ist zuzutrauen, dass er seine
Mitbrüder noch eine ganze Weile erbarmungslos vor sich hertreiben
wird.
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Mittelbayerische Zeitung
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