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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Flüchtlingspolitik

Geschrieben am 01-11-2015

Bielefeld (ots) - Deutschland ist drauf und dran durchzudrehen.
Während die Regierung zerstritten bleibt über die Frage, wie es in
der Flüchtlingspolitik weitergeht, schaffen andere Fakten. Mit
menschenfeindlichen Taten und verabscheuungswürdigen Worten. Ist
das noch unser Land? Nein, das kann nicht unser Land sein! Die
Gewalt gegen Flüchtlinge hat sich auch an diesem Wochenende
ungebremst fortgesetzt - Überfälle mit Baseballschlägern, wieder
Brandanschläge auf Unterkünfte. Und ein demokratisch gewählter
Europaabgeordneter sagt ganz ungerührt einen Satz, der jedem
zivilisierten Menschen im Halse stecken bleiben müsste: »Wenn
man den ersten Schuss in die Luft abgibt, wird deutlich, dass wir
entschlossen sind.« Erst Björn Höcke mit seinen demagogischen
Auftritten - jetzt Marcus Pretzell, der Vorsitzende der
nordrhein-westfälischen AfD. Es sind kühl kalkulierte
Provokationen, immer bis an die Grenze des Erlaubten und
oft auch darüber hinaus, die einen fragen lassen: Wo führt das hin,
wo soll das enden? CDU, CSU und SPD aber sind voll und ganz mit
sich selbst beschäftigt. Es regiert das Chaos. Erst Seehofers
Ultimatum an Merkel, nun die Transitzonen der Union gegen die
Registrierungszentren der SPD und irgendwie jeder gegen jeden. Im
Raumschiff Berlin droht man endgültig abzuheben. Unsere Republik
ist auf dem Weg in die Staatskrise und Europa ohne jeden Halt.
Dabei geht es gar nicht mehr darum, ob CSU-Chef Horst Seehofer
in seiner Partei und in Bayern das Gesicht wahrt. Es geht auch nicht
darum, ob sich der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel für eine
Kanzlerkandidatur in Position bringen kann. Es geht noch nicht
einmal darum, ob die eben noch über jeden Zweifel erhabene
Bundeskanzlerin Angela Merkel womöglich ihr Amt einbüßt. Nein, es
geht um viel mehr: Es geht darum, ob diese Republik jeden Anstand
verliert. Und klar ist auch: Aus dieser Debatte wird weder ein
Regierungspolitiker persönlich noch eine der drei
Regierungsparteien für sich großen Nutzen ziehen können. Im
Gegenteil: Der immense Zustrom an Flüchtlingen eignet sich für CDU,
CSU und SPD bestenfalls als Verliererthema. Dann nämlich, wenn sich
der in Teilen der Bevölkerung bereits bestehende Eindruck
verfestigt, dass die Regierung eine große Koalition der Ratlosigkeit
ist, die schlicht nicht weiter weiß. Profitieren werden da nur
Pegida, AfD und Co. Gewiss, es gibt keine einfache und erst recht
keine schnelle Lösung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Das
muss man immer wieder offen sagen. Und trotzdem muss die Politik
endlich ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Denn längst
gibt es zu viele einfache Losungen. Pretzells »Warnschuss« ist nur
das jüngste Beispiel in einer unendlich unsäglichen Reihe. Merkel,
Seehofer und Gabriel läuft die Zeit davon. Wehe, wenn ihnen die
Menschen davonlaufen: Die Rattenfänger warten schon!



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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