Mittelbayerische Zeitung: Legalisierter Betrug / Bei den Verbrauchswerten wird erlaubtermaßen
hemmungslos getrickst. Das aber reicht VW noch nicht. Leitartikel von Bernhard Fleischmann
Geschrieben am 04-11-2015 |
Regensburg (ots) - Elf Millionen Autos des Volkswagen-Konzerns
sind, nach aktuellem Kenntnisstand, weltweit mit manipulierender
Software unterwegs. Da kommt es auf die 800 000 zusätzlichen
Fahrzeuge, von denen man seit Dienstagabend weiß, kaum noch an -
könnte man achselzuckend und mit einer Portion Sarkasmus die neuesten
Offenbarungen zur Kenntnis nehmen. Sollte man aber nicht. Denn wie
gravierend die Unklarheiten um eine Software beim Dreiliter-Diesel
sind, ist momentan kaum einzuschätzen. Aber dass die falschen Angaben
zum Treibstoffverbrauch ein wirklich dickes Ding darstellen, steht
wohl außer Frage. Dass Volkswagen beim Spritkonsum und damit beim
CO2-Ausstoß getrickst hat, ist einerseits verwunderlich, andererseits
aber gerade wegen der gewonnenen Vorteile erklärbar. Verwunderlich
deshalb, weil ohnehin geschummelt, gemogelt - wie auch immer man das
nennen mag - werden darf! Legal. Abgeklebte Fugen, gekappte
Stromverbraucher, spezielle Leichtlauföle, Reifen mit Luftdrücken,
die auf der Straße lebensgefährlich wären - die Liste der erlaubten,
aber jeglichen Praxisbezug leugnenden Maßnahmen ist ellenlang. So
kommen Normverbräuche zustande, die weit jenseits der Möglichkeiten
im Alltag liegen. Nach einer Untersuchung des Instituts ICCT weichen
Neuwagen beim CO2-Ausstoß in Europa in der Praxis im Schnitt um 40
Prozent von den Normwerten ab. Vor zehn Jahren waren es nur 10
Prozent. Das heißt: Die modernen Autos sind vielleicht auch sparsamer
geworden. Aber sie sind auf jeden Fall auf die Normtests hin
optimiert worden. Der Verbraucher hat davon an der Tankstelle nichts,
die Umwelt selbstredend auch nicht. Ähnlich fielen die Tests bei
Stickoxiden aus. Das ganze System hat sich aus Verbrauchersicht hin
zu einem legalisierten Betrug entwickelt. Erklärbar ist die
Manipulation des CO2-Wertes deshalb, weil sich sparsamere Autos
besser verkaufen und Geld sparen. Nicht nur beim Tanken, sondern in
vielen Ländern zudem bei der Steuer. Auch in Deutschland wird die
Kfz-Steuer teilweise nach dem Normverbrauch bemessen. Andere Länder
machen das noch viel ausgeprägter. Da werden - je nach CO2-Wert - bis
zu 50 000 Euro "Zulassungssteuern" fällig. Gerade deswegen birgt die
Verbrauchslüge enormen Zündstoff. Denn damit geht es womöglich um
systematische Steuerhinterziehung, potenziell bis in den
Milliardenbereich. Ob die zusätzlichen zwei Milliarden Euro
ausreichen werden, die VW hierfür flugs reserviert hat, scheint
fraglich. Je mehr Betrügereien ans Tageslicht kommen, umso klarer
wird, dass sich das System der Prüfverfahren und die gesetzlichen
Vorgaben auf Crashkurs mit den Verbraucherinteressen befinden. Umso
mehr sollten die Bedingungen verändert werden. Die Gelegenheit wäre
günstig. Doch was die EU-Staaten vergangene Woche für die Umsetzung
von realen Fahrtests auf der Straße vereinbart haben, ist das gerade
Gegenteil. Sie wollen auf Dauer anderthalbfache Überschreitungen des
Stickoxid-Ausstoßes legalisieren. Auch der künftige Labortest (WLTP)
stellt zwar zu heute einen Fortschritt, aber noch lange keine dem
Alltag angemessene Verbrauchsermittlung dar. Falls an dieser Stelle
jemand über das vermeintlich so industriehörige Brüssel meckern will:
Die EU-Kommission wollte strengere Vorgaben durchsetzen. Dagegen
haben sich die Regierungen der Mitgliedsstaaten aber gewehrt. Raten
Sie, wie sich Deutschland dabei - wie fast alle anderen auch -
verhalten hat. Kleiner Tipp: Das nationale Interesse ging vor. Wobei
man darüber diskutieren könnte, ob beim nationalen Interesse die
Wünsche der Autobauer zwangsweise schwerer wiegen als die Gesundheit
der Bewohner oder ökologische Kriterien. Noch dazu könnte man die
Ansicht vertreten, dass strenge Vorgaben der deutschen Autoindustrie
langfristig eher nützen als schaden könnten. Auch wenn der VW-Konzern
zurzeit alles daran setzt, das Gegenteil zu beweisen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
578932
weitere Artikel:
- Stuttgarter Nachrichten: zum VW-Skandal Stuttgart (ots) - "Made in Germany" bleibe ein Gütezeichen, an dem
auch die Vorfälle bei VW nichts änderten, sagt Angela Merkel tapfer.
Doch die neuen Vorwürfe, dass der deutsche Vorzeigekonzern jetzt
neben manipulierten Abgaswerten auch beim zwar für Menschen
unschädlichen, jedoch das Klima stark belastenden Kohlendioxid
geschummelt haben dürfte, könnten den Eindruck nähren, dass Merkel
sich - neben dem Ausmaß der Flüchtlingskrise - in wenigen Wochen
bereits zum zweiten Mal schwer verschätzt haben könnte. Lügen haben
breite Reifen: mehr...
- Mittelbayerische Zeitung: Desaster / Kommentar zur Verstrickung der Freien Wähler in die CSU-Finanzaffäre Regensburg (ots) - Der Freie-Wähler-Abgeordnete Günther Felbinger
will nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Was er nach
massivem Druck von außen nun aber von sich aus einräumt, wiegt schwer
genug: Mit der Rückzahlung von 60 000 Euro aus seinem
Mitarbeiter-Budget an das Landtagsamt bestätigt er mindestens
verdeckte Parteienfinanzierung in den Jahren 2008 bis 2013. Sein
Eingeständnis kommt jedoch viel zu spät. Vor zwei Jahren, auf dem
Höhepunkt der Verwandtenaffäre im Landtag, wäre der richtige
Zeitpunkt gewesen, reinen mehr...
- Mittelbayerische Zeitung: Der Hardliner / Kommentar zum Gedenken an NS-Psychiatrieopfer Regensburg (ots) - Gedenken heißt: nicht vergessen. Das hat beim
Bezirk und seinem Klinikum niemand getan. Und das ist nicht nur gut,
sondern auch angemessen. Gedenken bedeutet auch, aufzuklären - gerade
weil es ein besonders dunkles Kapitel betrifft: Den Mord an
"lebensunwerten Menschen" und weitere zahllose Verbrechen im Namen
der "Rassehygiene" wie den Zwangssterilisationen. Das ist ein Kapitel
deutscher Geschichte, das sonst nur wenig Aufmerksamkeit auf sich
zieht. Umso beschämender ist es, das "Euthanasie"-Geschädigte immer
noch mehr...
- Weser-Kurier: Über Wohnungsbau in Bremen schreibt Jürgen Hinrichs: Bremen (ots) - Bremen braucht neue Wohnungen. Das ist kein
Geheimnis. Es müssen viele sein, und sie müssen schnell kommen. So
weit herrscht Einigkeit. Streit gibt es in der rot-grünen Koalition
über den Weg dorthin. Mehr an den Rand gehen und viel Fläche
verbrauchen oder die Stadt besser verdichten? Statt zu streiten,
sollte man vielleicht beides tun und auf keinen Fall weitere Zeit
verlieren. Ein Beispiel für diese zupackende Haltung findet die
Politik in der Bremer Heimstiftung und ihrem Chef Alexander Künzel.
Dieser Mann, dafür mehr...
- Weser-Kurier: Über den Sinn und Unsinn von Förderprogrammen schreibt Peter Mlodoch: Bremen (ots) - Es dürfte Kopfschütteln und sicher auch
Schadenfreude bis hin in die eigenen politischen Reihen auslösen:
Niedersachsens Landtagspräsident Bernd Busemann bekommt für seine
Ferienvilla auf Borkum keinen Cent Staatsknete. Der Jurist und
CDU-Politiker ist - je nach Sichtweise - an einem Formalfehler oder
an bürokratischen Hürden gescheitert. Dass ihm wie jedem anderen
Prominenten oder jedem Normalbürger grundsätzlich das Recht auf
öffentliche Zuschüsse zusteht, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind,
steht dabei außer mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|