Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Koalition/Asylpolitik
Geschrieben am 06-11-2015 |
Regensburg (ots) - von Reinhard Zweigler, MZ
Die Salven, Ultimaten, Drohungen, die von München Richtung
Merkel-Berlin abgefeuert, gestellt und entgegengeschleudert worden
waren, hatten es in sich. Um die Kanzlerin zu einem weniger
flüchtlings-freundlichen Kurs zu bewegen, malte Horst Seehofer nicht
weniger als den Bruch der Koalition an die Wand. Transitzentren
müssten her, lautete das Manna. Nur durch solche Einrichtungen könne
die Macht der Union, der Christsozialen im Freistaat allemal,
gesichert, die Handlungsfähigkeit des Staates wieder hergestellt
werden. Dermaßen aufgepumpt und mit Erwartungen überfrachtet, gab es
im Kanzleramt nur ein schwaches Gipfelleuchten. Es wurden weitere
Schrittchen beschlossen, um der ausufernden Situation an den
Grenzübergängen und in den Aufnahmeeinrichtungen wieder Herr zu
werden. Große Sprünge waren angesichts der Größe und
Vielschichtigkeit dieser Aufgabe auch nicht zu erwarten. Die nun
beschlossenen Maßnahmen atmen eher den Geist Merkels und ihres
obersten Flüchtlings-Managers Peter Altmaier, als den der krachenden
CSU-Forderungen. Hinter den wohlklingenden Absichtserklärungen können
sich alle drei Koalitionäre gesichtswahrend versammeln. Immerhin.
Statt Seehofers Transitzonen unmittelbar an der
bayerisch-österreichischen Grenze sollen nun drei bis vier
Registrierzentren im Land entstehen, wie das die SPD forderte. Statt
einer Art Haft gibt es Residenzpflicht im jeweiligen Kreis. Doch viel
wichtiger als der Streit um Begriffe und Namensschilder ist, dass in
diesen Einrichtungen jene Ankommenden erfasst werden sollen, die
keine Aussicht auf ein Bleiberecht in Deutschland haben. Etwa jene,
die aus West-Balkan-Staaten kommen, keine Ausweispapiere haben oder
etwa bereits in anderen EU-Staaten Asyl beantragt haben. Nach
spätestens drei Wochen soll über die - unbegründeten - Asylanträge
rechtskräftig entschieden sein. Zurzeit dauert es beim arg
überforderten Bundesamt in Nürnberg Monate, gar Jahre! So darf es
nicht weitergehen. Auch dass in diesen Fällen mehr Tempo und
Stringenz bei der Abschiebung einsetzen soll, klingt gut. Wer beim
Asylverfahren nicht mitwirkt, verliert seinen Anspruch auf Asyl und
auf staatliche Unterstützung. Doch, war die Umsetzung des
verschärften Asylgesetzes nicht bereits vorher beschlossen worden?
Fraglich ist zudem, ob mit diesen Maßnahmen der Zustrom nach
Deutschland begrenzt werden kann. Es ist zu befürchten, wohl eher
nicht. Eine wirkliche Entlastung für die niederbayerischen
Grenzregionen, aber auch für alle Kommunen, die Flüchtlinge
unterbringen müssen, ist damit nicht sehr wahrscheinlich. Mit dem
Flüchtlingsproblem verbunden ist zudem etwas lange Zeit Undenkbares:
Der Nimbus der Kanzlerin nimmt Schaden. Vor wenigen Wochen noch war
Angela Merkel die unerreichbare Nummer 1 der deutschen Politik. In
wenigen Wochen ist aus der Wir-schaffen-das-Kanzlerin eine weithin
ohnmächtige Bittstellerin geworden. Sie bittet die hartleibigen
EU-Mitglieder, ihre Grenzen ebenfalls zu öffnen, plädiert
gebetsmühlenartig für eine "faire Verteilung", geht vor Erdogan in
die Knie, damit der syrische und irakische Flüchtlinge bitteschön in
der Türkei halten möge. Und bei der Mammutaufgabe - der Bekämpfung
von Fluchtursachen, in Syrien, im Irak, in zahlreichen afrikanischen
Ländern, in Afghanistan - kommt die deutsche Diplomatie kaum voran.
Unter dem Strich keine rosigen Aussichten, das Flüchtlingsproblem
nachhaltig zu mildern, oder auch nur staatlich in den Griff zu
bekommen. Wenn es schief geht, könnte das Flüchtlings-Problem die
Kanzlerinnen-Dämmung einläuten. Die machtbewusste Merkel selbst weiß
das nur zu gut.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
579102
weitere Artikel:
- Schwäbische Zeitung: Die Tragik de Maizières - Kommentar zum Familiennachzug Ravensburg (ots) - Es wirkt tragisch, dass just jener Mann, dem
Überforderung in der Flüchtlingskrise vorgeworfen wurde, nun
verkündet, dass das alles nicht so gemeint war mit der
Willkommenskultur für syrische Flüchtlinge. Bundesinnenminister
Thomas de Maizière (CDU) stellt in Aussicht, den Familiennachzug für
Syrer zu beenden. Wenn das Ganze nicht ein Missverständnis gewesen
sein soll, dann hat er zwar am Freitag der Humanität einen schlechten
Dienst erwiesen, aber die Merkel-Kritiker besänftigt.
Syrer fliehen auch, weil sie mehr...
- BERLINER MORGENPOST: Kommentar von Jens Anker zur Lage in Berlin nach der Steuerschätzung Berlin (ots) - Noch vor wenigen Jahren hätte das kaum jemand für
möglich gehalten: Berlin steht finanziell so gut da, wie seit
Jahrzehnten nicht. Das Land kratzt in den kommenden beiden Jahren an
der Einnahmeschwelle von 20 Milliarden Euro - das wäre ein
Einnahmeplus von mehr als drei Milliarden Euro in nur vier Jahren. Im
dritten Jahr in Folge übersteigen die Einnahmen die Ausgaben
deutlich. Berlin baut, wenn auch nur relativ geringfügig, Schulden ab
und hat trotzdem noch Geld für dringend notwendige Investitionen
übrig. Das ist mehr...
- Westfalen-Blatt: zum Datentransfer Bielefeld (ots) - Im Datenschutz klafft nicht nur eine Lücke. Die
EU hat den Anschluss an die virtuelle Welt verschlafen. Es gibt bis
heute keine schlüssige Antwort darauf, welche Rolle der Schutz
persönlicher Informationen in einer digitalen Umgebung haben soll, in
der die Weitergabe und Verarbeitung von Daten zum Geschäftsmodell
geworden ist. Man hat auch keine Antwort auf die Frage, welche
Freiräume Geheimdiensten eingeräumt werden sollen, die Zugriff zu
Informationen brauchen, um Gefahrenabwehr effizient betrieben zu
können. mehr...
- Weser-Kurier: Kommentar von Peter Mlodoch über die Klage der niedersächsischen CDU-Fraktion wegen schleppender Informationspolitik Bremen (ots) - Der CDU geht es nicht schnell und nicht ausführlich
genug. Wegen zögerlicher Antworten auf ihre Parlamentsanfragen hat
die Landtagsfraktion Niedersachsens rot-grüne Landesregierung - mal
wieder - vor den Staatsgerichtshof in Bückeburg gezerrt.
Kleinkariert? Haben die angesichts von Flüchtlingsströmen und
VW-Skandalen keine anderen Sorgen? So einfach ist es nicht. Wenn eine
Demokratie funktionieren soll, muss die Opposition der Regierung auf
die Finger schauen. Ohne Informationen ist es mit dieser Kontrolle
nicht weit mehr...
- BERLINER MORGENPOST: Digitale Gestalter / Kommentar von Florentine Anders zu digitale Medien in Berlins Schulen Berlin (ots) - Andere Länder haben erkannt, dass sich die Schule
wandeln muss. In den USA machte Barack Obama die digitale Bildung zur
Chefsache. In Dänemark bringen ältere Schüler eigene Laptops oder
Tablets mit zur Schule, sodass Lehrer auf virtuelle Lernräume
zugreifen können. An britischen Schulen ist Programmieren seit einem
Jahr schon an Grundschulen verpflichtendes Fach. Berlin droht da mal
wieder den Anschluss zu verlieren. Neben allen berechtigten
Forderungen nach mehr Personal, mehr Fortbildung und mehr Technik
muss sich mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|