Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Heinz Gläser zu Fifa/DFB
Geschrieben am 06-12-2015 |
Regensburg (ots) - Ist der Fußball noch zu retten? Seltsame Frage.
Pumperlgsund ist er, der Fußball, und er strotzt vor ökonomischer
Kraft. Für den Restsport hierzulande stellt sich die Frage angesichts
des Hamburger Olympia-Desasters eher andersherum: Wer rettet uns vor
dem Fußball? Die Leichtathleten, Hockeyspieler und Kanuten sind die
armen Schlucker, die sich mühsam von den Brosamen ernähren, die vom
Tisch von König Fußball fallen. Dass der DFB in eigener
Machtvollkommenheit seine Bewerbung um eine Heim-EM 2024 auf den Weg
brachte, ohne sich groß um die Olympia-Ambitionen im gleichen Jahr zu
scheren, war eine sportpolitische Flegelei sondergleichen - und ein
Ausdruck der drohenden sportlichen Monokultur im Land. Irgendwann
könnte im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) die Einsicht reifen,
dass der Profifußball unter seinem Dach gar nichts mehr zu suchen
hat. Ist der Fußball noch zu retten? Trotzdem wird diese Frage im
Lichte der Skandale auf nationalem und internationalem Parkett nun
allenthalben gestellt. Die juristische Fakultät an der Universität
Regensburg ging dem Thema kürzlich bei einer Podiumsdiskussion auf
den Grund. Die nicht enden wollenden Affären lösen Kopfschütteln aus,
gewiss. Doch wies Bundesverfassungsrichter a. D. Udo Steiner bei
dieser Gelegenheit zurecht auf ein Dilemma hin. Der Ruf der Fifa mag
ja nachhaltig ramponiert sein, aber man kann es drehen und wenden,
wie man will: Es geht auch künftig nicht ohne eine Instanz, die die
Interessen von 209 Mitgliedsverbänden bündelt und die Regeln des
Spiels definiert. Abseits des täglichen Getöses um immer neue
Enthüllungen treten Konflikte im Weltfußball zutage, die seit Jahren
oder gar Jahrzehnten schwelen. Im Rennen um die Nachfolge von
Präsident Sepp Blatter kollidieren die Interessen der reichen
Europäer mit denjenigen ärmerer Fußball-Länder, die sich vom Alten
Kontinent schon immer bevormundet fühlen. Die mächtige Vereinigung
des europäischen Topklubs mault derweil laut vernehmbar, weil sie
sich im beginnenden Fifa-Reformprozess übergangen fühlt. Auch
national brechen sich im Gefolge der Sommermärchen-Affäre latent
vorhandene Konflikte Bahn und münden in Grabenkämpfe. Profis und
Amateure erkennen aktuell, dass ihr Vorrat an gemeinsamen Interessen
zur Neige geht. Die Lager beharken sich in der Frage, wer den über
ein Kommunikationsdebakel gestürzten Präsidenten Wolfgang Niersbach
beerben soll. Damit nicht genug, wuchert der Spaltpilz im Kreis der
scheinbar so betuchten Profiklubs. Im Kampf um die Verteilung der
Fernsehgelder macht nicht nur Branchenprimus Bayern München mobil.
Der Vorstoß des FC St. Pauli, die ungeliebten Werksklubs nicht mehr
am TV-Kuchen partizipieren zu lassen, war mitnichten Folklore,
sondern ein Indiz dafür, dass die Solidarität auf breiter Front
bröckelt. Aufhorchen lassen zudem Stimmen aus der deutschen Politik,
die fordern, die Sonderbehandlung für die lange gehätschelten
Fußballer zumindest zu hinterfragen. Dabei geht es um die
Steuerbefreiungen bei Großereignissen, dabei geht es um die Kosten
von Polizeieinsätzen, dabei geht es auch um die Frage der
Gemeinnützigkeit. Aus all dem zu schließen, dass das Fußball-Imperium
wankt, wäre voreilig. Nein, der Fußballsport muss nicht gerettet
werden. Aber er muss sich neu aufstellen. Denn er leidet, wie so
viele Imperien in der Geschichte, an seiner Maßlosigkeit und dem
Überdehnen seiner Macht.
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