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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Hitlers »Mein Kampf«

Geschrieben am 06-01-2016

Bielefeld (ots) - Das Buch war eine Gebrauchsanweisung für Folter
und Mord. Der »Hexenhammer« von 1487 beschrieb angeblich ganz genau,
wie Frauen als Hexen überführt werden können. Wenn sie es mit dem
Teufel trieben und für Wetter sorgten, das die Ernte vernichtete,
dann müssten sie auf den Scheiterhaufen. Weil Kirchenmänner und
Richter den blühenden Unsinn, den Heinrich Kramer und Jakob Sprenger
geschrieben hatten, für bare Münze nahmen, starben tausende
unschuldige Frauen einen grauenvollen Tod.

Bücher können Horizonte oder Abgründe öffnen, sie können versöhnen
oder hetzen - so wie Hitlers »Mein Kampf« gegen Juden. Gehören der
»Hexenhammer« und »Mein Kampf« deshalb für immer in den Giftschrank?
Nein, denn so würde um sie herum ein Mythos geschaffen, den diese
Bücher nicht verdienen. So absurd und krank der Inhalt des
»Hexenhammers« war und ist, so abstoßend und verquast sind die Sätze
in Hitlers unsäglichem Pamphlet, das er 1924 nach dem gescheiterten
Putsch in München während der Festungshaft in Landsberg schrieb. Der
krude Inhalt ist ohne Kenntnis des geschichtlichen Hintergrundes gar
nicht zu verstehen. Damals war Hitler ein lächerlicher Niemand, der
sich zu Höherem berufen fühlte - und nur weil er es leider nicht
blieb, müssen wir uns heute fragen, ob sein menschenverachtendes
Geschwurbel verboten bleiben sollte oder nicht. Nach dem
Untergang des »Dritten Reiches« war der Neudruck 70 Jahre lang
verboten. Der Freistaat Bayern besaß die Rechte an dem Buch und
hielt die Finger drauf.

Morgen nun erscheint die kommentierte Ausgabe von »Mein Kampf«,
erarbeitet vom Institut für Zeitgeschichte in München. Sie will aus
dem sagenumwobenen Buch »den Zünder rausdrehen«, wie Projektleiter
Christian Hartmann gegenüber der »Zeit« sagte. Die kommentierte
Ausgabe ist eine Art Sicherheitstür, ein guter Kompromiss zwischen
völliger Freigabe und Verlängerung des Verbots. Sicherheitstür
deshalb, weil ein reiner, unkommentierter Nachdruck den
Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen würde. Damit sollen
rechtsextreme Verleger erst gar nicht auf dumme Gedanken kommen.

Werden Leser der kommentierten Ausgabe womöglich zu Neonazis? Ist
die Veröffentlichung in einer Zeit, in der sich Hass auf Flüchtlinge
in Angriffen auf Asylbewerberheime entlädt, womöglich gefährlich?
Nein. 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind die
Deutschen mündig genug, das Buch zu lesen und anschließend als das zu
betrachten, was es ist: ein unverdauliches Ideologiegebräu, von dem
im 21. Jahrhundert keine Faszination ausgeht. »Mein Kampf« ist ein
Buch mit Vergangenheit, aber ohne Zukunft. So wie der
»Hexenhammer«: Er war in den vergangenen Jahrzehnten im Buchhandel
stets erhältlich, ohne dass die Scheiterhaufen neu zu lodern
begannen.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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