Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Daniela Weingärtner zur Krise der EU
Geschrieben am 15-02-2016 |
Regensburg (ots) - Auch auf beharrliches Nachfragen bleibt der
Chefsprecher der EU-Kommission dabei: In der größten
Flüchtlingskrise, die Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt,
arbeiten die 28 Mitgliedsstaaten ganz wunderbar zusammen. Er sagt das
an dem Tag, an dem in Prag die tschechische, polnische, slowakische
und ungarische Regierung mit Mazedonien darüber verhandeln, wie die
Balkangrenze zu Griechenland dichtgemacht werden kann. Das wiederum
geschieht zwei Tage nachdem 25 der 28 EU-Regierungen in Brüssel
beschlossen, Griechenland nochmals drei Monate Zeit zu geben, seine
Grenze Richtung Türkei ordentlich zu sichern. Da Griechenland die
zahlreichen Mängel - von fehlendem Fachpersonal über mangelhafte
technische Ausrüstung bis zu unzureichender Seeüberwachung - niemals
innerhalb von zwölf Wochen beheben kann, steht der erneuten
Einführung von Binnengrenzen 21 Jahre nach Gründung des grenzfreien
"Schengen-Raums" so gut wie nichts mehr im Wege. Doch auf einen
Aufschrei wartet man vergeblich. Herunterspielen, mit den Achseln
zucken, Kleingruppen gründen - das scheint die Haltung zu sein, mit
der Europas Staaten der bislang größten Krise der Gemeinschaft
begegnen. Und auch die Abgeordneten des Europaparlaments, die sonst
bei jedem Alleingang der Regierungen ein Riesengeschrei anstimmen und
sich zudem als Hüter der Menschenrechte begreifen, haben offenbar nur
mehr ein Ziel vor Augen: Den Treck gen Norden aufzuhalten, egal wie.
Den Letzten beißen die Hunde. Das war bereits die Logik der alten
Dublin-Verordnung, nach der ein Flüchtling in dem Land versorgt
werden musste, wo er zuerst europäischen Boden betrat. Das
gerichtliche Rückschiebeverbot nach Griechenland und Angela Merkels
hochherziger, aber nicht zu Ende gedachter Plan einer gerechteren
Lastenverteilung führten dazu, dass das alte System zerbröselte,
bevor ein neues gefunden war. Den ersten Alleingang unternahm Ungarns
Premier Victor Orban, als er seine Grenze ohne Absprache abriegelte.
Doch als Merkel daraufhin Entlastung anbot, hatte auch sie sich zuvor
nicht mit den übrigen Ländern des Schengenraums abgestimmt. Die
Demontage der zuvor als treibende Kraft Europas geehrten und
gefürchteten Kanzlerin vollzieht sich in einem so rasanten Tempo,
dass der Schluss naheliegt, mehrere Regierungschefs aus der zweiten
Reihe hätten darauf mit klammheimlicher Freude gewartet oder sogar
aktiv daran mitgewirkt. Zumindest Orban, der zur gleichen
Parteienfamilie gehört und von Merkel mehrfach öffentlich für seine
Flüchtlingspolitik gerügt wurde, hat eine Rechnung mit ihr offen.
Andere, wie der französische Premier Manuel Valls, würden vielleicht
gern mehr Solidarität beweisen, stehen aber innenpolitisch durch den
Aufstieg der Rechtspopulisten unter einem gewaltigen Druck. Der
deutsch-französische Motor ist ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl
im Nachbarland komplett zum Stillstand gekommen, Merkel wird gerade
ziemlich unsanft vom Fahrersitz gezerrt. Das mag für manchen
griechischen Wähler, der die deutsche Kanzlerin für die
wirtschaftliche Misere seines Landes haftbar macht, eine Genugtuung
sein. Den Aufschwung wird das allerdings nicht befördern - im
Gegenteil. Wenn Griechenland aus dem Schengenraum gedrängt wird, wenn
schrittweise Binnengrenzen wieder geschlossen und damit die
Warenströme verlangsamt werden, trifft es kleine EU-Staaten in
Randlage am härtesten. Deren Wähler werden sich dann vermutlich von
Politikern wie Tsipras und Orban abwenden, die Europas Erosion
eingeleitet haben. Doch der Rückweg zu mehr politischer Gemeinschaft
wird steinig, denn einen Reset-Knopf gibt es in der Politik leider
nicht.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
585310
weitere Artikel:
- Lausitzer Rundschau: Aufsichtsratssitzung am Berliner Pannen-Flughafen / Weite Wege zum BER Cottbus (ots) - Zum Jubeln ist es noch zu früh. Denn noch immer
warten ein paar gefährliche und tückische Fallgruben am berühmtesten
Nichtflughafen Deutschlands. Doch ganz unbegründet ist der
Optimismus, den alle Beteiligten am BER jetzt demonstrativ verbreiten
wollen, nicht. Trotz Bauverzuges kann diesmal eine Eröffnung im
Herbst des Jahres 2017 gelingen. Ausschließen kann aber zum jetzigen
Zeitpunkt niemand, dass sich in den Tausenden Seiten der
Baugenehmigungsunterlagen, die gestern ins Bauamt in Königs
Wusterhausen gekarrt worden mehr...
- Thüringische Landeszeitung: Dumme Sprüche - Oettinger, Petry und das Netz / Leitartikel von Gerlinde Sommer zur entgleisten Sprücheklopferei von Günther Oettinger über Frauke Petry von der AfD Weimar (ots) - Ja, wie blöd ist das denn? Sich erschießen wegen
Frauke Petry? CDU-Mann Günther Oettinger wollte womöglich einen
coolen Spruch ablassen, was nicht zu seiner Meisterdisziplin zählt.
Er wird nun mit seiner Dösbaddelei zum Politikum. Womöglich hat er
das Thema "Schießen an der Grenze auf Frau und Kind" in seiner
völligen Absurdität auf die Spitze treiben wollen. Das, so ließe sich
sagen, hat er dann ja auch irgendwie geschafft ...
Es ist nur so: Schon seit mindestens einer Woche ist sich die AfD
einig, dass das alles mehr...
- stern-RTL-Wahltrend: AfD nicht mehr zweistellig, auch Union und SPD verlieren - Forsa-Chef Güllner: AfD neue Heimat für NPD-Anhänger Hamburg (ots) - Nach den Äußerungen Horst Seehofers zur
"Herrschaft des Unrechts" und dem Gezerre um Details in der
Asylpolitik verlieren sowohl Union als auch SPD an Zustimmung. Im
stern-RTL-Wahltrend büßen CDU/CSU im Vergleich zur Vorwoche einen
Prozentpunkt ein und kommen nun mit 35 Prozent auf ihren niedrigsten
Wert in diesem Jahr. Auch die SPD verliert einen Punkt auf jetzt 23
Prozent. Grüne, Linke und FDP dagegen können sich um jeweils einen
Punkt verbessern: die Grünen auf 11 Prozent, die Linke auf 10 Prozent
und die FDP auf mehr...
- Redaktionsnetzwerk Deutschland: FDP-Vize Kubicki: Merkel muss "ehrliche Verhältnisse" im Bundestag schaffen und sofort in die arabischen und afrikanischen Staaten reisen und erklären: "Unsere Willkomm Hannover (ots) - Die FDP hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
aufgefordert, sofort in die wichtigsten afrikanischen und arabischen
Staaten zu reisen, um dort vor Ort "eine klare Botschaft zu
hinterlegen: unsere Willkommenskultur ist beendet". Zugleich sagte
der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende, Wolfgang Kubicki, dem
RedaktionsNetzwerk Deutschland, RND, Frau Merkel müsse sich ein
Beispiel am Entscheidungsmut von Gerhard Schröder in dessen
Kanzlerzeit nehmen: "Schröder war standhaft und ist mit Neuwahlen ins
Risiko gegangen. mehr...
- NOZ: Lambsdorff fordert 2000 Grenzschützer für Griechenland Osnabrück (ots) - Vizepräsident des EU-Parlaments: 2000
Grenzschützer nach Griechenland
Lambsdorff für Sofort-Einsatztruppe - "Kanzlerin Merkel ist in
Europa isoliert"
Osnabrück. Der Vize-Präsident des Europaparlaments, Alexander Graf
Lambsdorff (FDP), fordert vom EU-Gipfel, in der Flüchtlingskrise eine
europäische Sofort-Einsatztruppe nach Griechenland zu schicken. In
einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch) sagte
Lambsdorff: "Es müssten 2000 Grenzschützer nach Griechenland entsandt
werden, um die noch mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|