ZDF-Magazin "Frontal 21": VW-Skandal betrifft möglicherweise weitere Hersteller /
Experten: Verdacht auf unzulässige Abschalteinrichtung bei Mercedes, BMW und Renault / Autobauer dementieren (FOTO)
Geschrieben am 16-02-2016 |
Mainz (ots) -
Auch Fahrzeuge von BMW, Mercedes und Renault stehen im Verdacht,
unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut zu haben, die wie bei VW zu
hohen Stickoxidemissionen auf der Straße führen. Zu dieser Ansicht
kommen Automobilexperten und Juristen angesichts von Messungen, die
die Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule im Auftrag des
ZDF-Magazins "Frontal 21" an vier Diesel-Pkw dieser Marken
vorgenommen hatte. Dabei stellte sich heraus, dass alle vier
Fahrzeuge bei gleicher Fahrweise auf der Straße viel mehr Stickoxide
erzeugten als bei demselben Fahrzyklus im offiziellen Labortest und
damit die gesetzlichen Grenzwerte um ein Mehrfaches überschritten.
Darüber berichtet die "Frontal 21"-Dokumentation "Die Abgaslüge -
Wie Autoindustrie und Politik uns krank machen" am Dienstag,16.
Februar 2016, 21.00 Uhr.
In der ZDF-Stichprobe war das Emissionsverhalten eines BMW 320d,
eines Mercedes C200CDI und eines Renault Laguna dCi mit dem eines VW
Passat 2.0 TDI verglichen worden, der eine unzulässige
Abschalteinrichtung hat. "Das Emissionsverhalten ist anders als
vorher. Das heißt, es muss irgendein Parameter erfasst worden sein,
der dann zu einem veränderten Emissionsverhalten geführt hat. Und
genau das ist unzulässig", urteilt Martin Führ, Professor für
öffentliches Recht an der Hochschule Darmstadt. Nach seiner Bewertung
ist damit die gesetzliche Definition einer unzulässigen
Abschalteinrichtung bei den untersuchten Fahrzeugen erfüllt.
"Technisch ist denkbar, dass auch die anderen Hersteller, die
getestet wurden, Abschaltvorrichtungen in unterschiedlicher Art und
Weise verwendet haben", schließt Professor Kai Borgeest vom Zentrum
für KFZ-Elektronik und Verbrennungsmotoren der Hochschule
Aschaffenburg aus den Ergebnissen der ZDF-Stichprobe: "Das würde
bedeuten, dass eben dieser Skandal die gesamte Automobilindustrie und
nicht nur VW durchzieht." Bis auf VW bestreiten alle Autobauer die
Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen.
Die Schweizer Abgasprüfstelle hatte im Auftrag des ZDF die
Stickoxidemissionen eines BMW 320d (Erstzulassung 2009), eines
Mercedes C200CDI (Erstzulassung 2011) und eines Renault Laguna dCi
(Erstzulassung 2010) mit dem eines VW Passat 2.0 TDI (Erstzulassung
2011) verglichen. Der VW Passat hat nach Auskunft des Herstellers
eine unzulässige Abschaltsoftware verbaut, die Stickoxidwerte (NOx)
im Prüfstandlauf optimiert.
Alle Autos erfüllten bei dem offiziellen Abgas-Labortest in der
Schweizer Prüfstelle die Abgasnorm Euro 5, die bei Stickoxiden (NOx)
einen Grenzwert von 180 mg/km vorschreibt. Im Labortest wurde auf der
Prüfstandsrolle der gesetzlich vorgeschriebene Neue Europäische
Fahrzyklus (NEFZ) gefahren und dabei die Abgasemissionen gemessen.
Der VW Passat stieß 127 mg/km NOx aus, BMW und Mercedes jeweils
154mg/km, der Renault Laguna 162 mg/km. Alle Autos erfüllten damit
die gesetzliche Norm im Labor.
Später fuhr derselbe Prüfstandfahrer der Schweizer Abgasprüfstelle
denselben computerunterstützen Fahrzyklus NEFZ auf einem
stillgelegten Flughafengelände und mit Begleitung durch ein
Sicherungsfahrzeug auf einem verkehrsarmen Autobahnteilstück. Die
Abgasemissionen wurden dabei - anders als im Labor - mit einem
mobilen Messgerät, einem sogenannten PEMS ermittelt.
Nach Abzug der höchsten Messabweichungen zwischen Labormessgerät
und PEMS lag der NOx-Wert für den VW Passat mit unzulässiger
Abschalteinrichtung bei 471 mg/km NOx, dem 3,7-fachen des Laborwerts.
Der NOx-Wert für den Mercedes betrug 420 mg/km, das 2,7-fache des
Laborwerts. Der BMW emittierte 428mg/km, das rund 2,8-fache des
Laborwerts. Der NOx-Wert für den Renault Laguna betrug 1.067 mg/km,
das 6,6-fache des Laborwerts.
Der stellvertretende Leiter der Prüfstelle, Pierre Comte, erklärte
gegenüber "Frontal 21", dass bei gleicher Fahrweise wie im Labor auch
auf der Straße eigentlich ähnliche Ergebnisse zu erwarten seien. Die
festgestellten hohen Abweichungen müssten von den Autoherstellern
erklärt werden. "Die Messresultate zeigen, dass die Fahrzeuge sich
auf dem Rollenprüfstand anders verhalten, als wenn sie auf der Straße
betrieben sind", so das Fazit der Schweizer Abgasprüfstelle an der
Berner Fachhochschule.
"Frontal 21" hat die Autobauer um Erklärung gebeten. VW kritisiert
ebenso wie Daimler und BMW den Testaufbau und hält die Messergebnisse
im Labor und auf der Straße für nicht vergleichbar. So herrschten auf
der Straße andere Bedingungen als im Labor, so VW. Es gebe
"Luftdruckveränderungen, Wetterverhältnisse oder unterschiedliche
Fahrbahnbeschaffenheit". Auf die Frage, inwiefern die
Abschaltsoftware für die hohe Abweichung verantwortlich ist, gibt VW
keine eindeutige Antwort.
Daimler erklärt gegenüber dem ZDF, keine unzulässige
Abschalteinrichtung zu verwenden: "Wie bereits mehrfach erklärt,
kommt ein Defeat Device, sprich eine Funktion, die die Wirksamkeit
des Abgasnachbehandlung unzulässig einschränkt, bei Mercedes-Benz
nicht zum Einsatz." Auch BMW bestreitet den Verdacht und erklärt
schriftlich: "Bei der BMW-Group wird nicht manipuliert und wir halten
uns (...) an die gesetzlichen Vorgaben." "Renault täuscht nicht",
stellt Renault gegenüber "Frontal 21" fest. Weiter heißt es: "Unsere
Fahrzeuge verfügen über keinerlei zusätzliche Vorrichtung, um
Vorschriften zu umgehen. Renault respektiert die Vorschriften."
Das Bundesverkehrsministerium wollte auf Nachfrage von "Frontal
21" zu den auffälligen Ergebnissen der Abgasmessungen keine Stellung
nehmen.
Hinweis für Redaktionen:
Journalistische Nachfragen bitte unter Telefon: 030 - 2099-1254
(Michael Hölting)
http://twitter.com/Frontal21
Pressekontakt:
ZDF Presse und Information
Telefon: +49-6131-70-12121
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