Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christine Schröpf zu den Folgen des Wahlsonntags
Geschrieben am 14-03-2016 |
Regensburg (ots) - Kanzlerin Angela Merkels Flüchtlingspolitik
warschuld, die Störfeuer von CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer -
oder doch vielleicht die Dummheit und/oder Geschichtsvergessenheit
der AfD-Wähler? So hübsch einfach lässt sich das Debakel der
etablierten Volksparteien am "Super-Sunday" leider nicht erklären.
Merkels Flüchtlingspolitik hat ja gezündet, wenn auch stärker beim
Wählerklientel von Grünen und SPD. Seehofers Kurs wirkt - vor allem
in Bayern, wo die CSU in Umfragen noch immer bei Werten liegt, von
denen Ministerpräsidenten wie Winfried Kretschmann und Malu Dreyer
nur träumen können. Und auch mit Wählerschelte kommt man nicht
weiter. Denn die rechtspopulistische AfD holte viele Nicht-Wähler an
die Urnen, die sich von den etablierten Parteien und offenbar auch
von allen anderen Institutionen der Gesellschaft seit längerem nicht
mehr vertreten fühlen. Seehofer liegt in einem wichtigen Punkt mit
seiner Diagnose richtig. Das Erstarken der AfD ist mit hoher
Wahrscheinlichkeit keine Kurzzeiterscheinung, die verschwindet,
sobald in der Asylpolitik eine europäische Lösung greift,
Flüchtlingsströme besser verteilt und die Zuwanderung nach
Deutschland deutlich verringert wird. Der "Super-Sunday" fordert eine
harte Debatte über das politische Profil der Union. Sonst ist das
Debakel vom Sonntag nur der Vorgeschmack auf die nächsten
Wahlniederlagen. Zwingend nötig ist die ungeschönte Analyse dabei
auch für die SPD, die abgesehen von Rheinland-Pfalz vernichtend
geschlagen worden ist. Im Kern geht es um einen politischen
Richtungsstreit, der Union und SPD fundamental betrifft. Es geht um
eine Positionierung in Zeiten, in denen sich alle Volksparteien mehr
oder weniger in der politischen Mitte versammeln. Der Dauerzoff in
der Union hat seine Ursache nicht darin, dass Seehofer und die
anderen wilden Kerle in der CSU notorisch auf Krawall gebürstet sind,
wie im Rest der Republik gerne geglaubt wird. Die Spannungen
offenbaren vielmehr eine massive Form von Dehnungsschmerz. Die CDU
ist in den vergangenen Jahren weit stärker an die linke Flanke der
politischen Mitte gerückt, als sich die CSU in diese Richtung
strecken möchte. Für die Seehofer-Partei gilt noch immer
uneingeschränkt das Mantra von Franz Josef Strauß, wonach es rechts
von ihr keine demokratisch legitimierte Partei geben darf. Dahinter
steckt nicht nur taktisches Kalkül, Seehofer ist in diesem Punkt
Überzeugungstäter. Parallel gräbt die "Sozialdemokratisierung" der
CDU der SPD das Wasser ab - behaupten können sich bei Wahlen nur noch
Genossen mit starkem eigenen Profil. Auch das eine zwingende
Schlussfolgerung aus dem "Super-Sunday". Das sollte in anderen
SPD-Landesverbänden auf keinen Fall verdrängt werden, wo es in der
ersten Reihe ebenfalls an charismatischem Personal fehlt. In Bayern
haben sich die Genossen zuletzt in Landtagswahlen bei Werten um die
20 Prozent eingependelt. Doch das muss nicht das Ende der
Fahnenstange sein, wie die Ergebnisse in Baden-Württemberg und
Sachsen-Anhalt gezeigt haben. Volksparteien heißen Volksparteien,
weil sie weite Teile des Parteienspektrums abdecken. Wer dabei
versagt und nach kurzem Gezänk über die Schuld am Wahldebakel vom
Wochenende schnell zur Tagesordnung übergeht, lässt dauerhaft Platz
für die AfD, die das Protestpotenzial gerne weiter aufsammeln wird.
Er belässt es dabei, darauf zu vertrauen, dass sich die
Rechtspopulisten in den Landtagen schon rasch selbst entzaubern
werden, weil jede ihrer kruden Thesen nun weit stärker wahrgenommen
und sanktioniert werden. Doch ob das wirklich funktioniert? Das
Klientel der AfD hat sich bisher jedenfalls nicht an den
Entgleisungen ihrer Protagonisten gestört.
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