Mittelbayerische Zeitung: Superstar Kretschmann: Die Grünen können viel vom Ober-Realo aus dem Ländle lernen - und damit vielleicht im Bund durchstarten. Von Stefan Stark
Geschrieben am 31-03-2016 |
Regensburg (ots) - Revolution im Schwabenland: Mit den
Verhandlungen über eine Kiwi-Koalition schreibt der grüne Superstar
Winfried Kretschmann Geschichte. Die erste grün-schwarze Koalition
der Republik nimmt immer klarere Konturen an - und das dürfte auch
die politische Landschaft insgesamt verändern. Baden-Württemberg wird
zu einem Testlauf für die Bundestagswahl 2017. Im Ländle selbst steht
für die CDU kein Stein mehr auf dem anderen. Kretschmann kann einen
doppelten Triumph feiern: Erstmals wurden die Grünen in einem
Bundesland stärkste Kraft. Und erstmals kann die Öko-Partei mit der
Union als Juniorpartner verhandeln. Die Verhältnisse im einstigen
CDU-Stammland haben sich um 180 Grad umgekehrt. Dabei profitierte
Kretschmann natürlich auch von der Schwäche der Union und ihrem
Spitzenkandidaten Guido Wolf mit seinem politischen Schlingerkurs.
Seit dem Abgang des populären Ministerpräsidenten Erwin Teufel war
die Union nur noch mit politischen Grabenkämpfen beschäftigt und
betrachtete die Macht als Erbhof. Wolfs Attacken im Wahlkampfendspurt
auf die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin waren nur der traurige
Höhepunkt der jahrelangen Selbstdemontage der Südwest-CDU. Die
krachende Niederlage muss sich die Union selbst ankreiden. Wie man es
besser macht, beweist Kretschmann, der mit seiner Geradlinigkeit zum
Prototyp eines populären Landesvaters wurde. Von der Debatte um den
umstrittenen Stuttgarter Hauptbahnhof bis hin zu Angela Merkels
Flüchtlingskurs machte der Grüne klare Ansagen - und widerstand wie
ein Fels in der Brandung populistischen Versuchungen. Für diese
Haltung haben ihn die Wähler belohnt. Aus Kretschmanns Triumph lassen
sich auch Lehren ziehen, die vielen in den eigenen Reihen nicht
schmecken dürften. Sein Wahlsieg belegt, dass starke
Spitzenkandidaten für ihre Parteien immer wichtiger werden. Ohne
Kretschmann hätten die Grünen nie den Sprung über 30 Prozent
geschafft. Aber genau an der Frage, ob Personen im Vordergrund stehen
sollen - oder die politischen Inhalte - scheiden sich bei der
Öko-Partei immer schon die Geister. Ob auch künftig vier Chefs das
Sagen haben sollen wie bei den Bundesgrünen - zwei in der Partei,
zwei in der Fraktion - oder nur ein einziger, wird im Wahljahr 2017
noch für eine heftige Diskussion sorgen. Ebenso wie die Frage, ob
Kretschmann dann als Spitzenkandidat für die Grünen antreten soll.
Grundsätzlich stärkt sein Sieg zwar das Realo-Lager. Doch vielen
Stammwählern vom linken Flügel ist Kretschmanns Kurs zu
wirtschaftsfreundlich. Manche sehen in ihm keinen Öko-Messias,
sondern einen Verräter grüner Politik. Der Partei stehen spannende
Debatten und vielleicht sogar eine Zerreißprobe bevor. Dabei sollte
die Basis nicht den Fehler begehen, die Misere der Grünen außerhalb
Baden-Württembergs auszublenden. In Rheinland-Pfalz und in
Sachsen-Anhalt schaffte es die Partei nur knapp in die Landtage, im
Bund krebsen die Grünen um die zehn Prozent herum und kommen in der
Wählergunst nicht vom Fleck. Darin spiegelt sich wider, dass Merkel
die CDU weiter nach links rückte und den Grünen wichtige Themen wie
den Atomausstieg streitig macht. Die Öko-Partei tut sich insgesamt
immer schwerer, bei den Wählern zu punkten. Umso mehr richten sich
die Augen nun nach Baden-Württemberg. Wenn Grün-Schwarz im Ländle
funktioniert, bedeutet das ein klares Signal für Berlin. Die Grünen
wollen im Bund mitregieren - und Merkel braucht angesichts einer
zunehmend zersplitterten Parteienlandschaft mit der AfD im Nacken
dringend eine neue Machtoption. Für die CDU sind die Grünen kein
Schreckgespenst mehr. Der Realo Kretschmann würde der Kanzlerin die
Steigbügel wohl halten. Zumindest in der Flüchtlings- und
Europapolitik ist sie für ihn eine Schwester im Geiste.
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