Börsen-Zeitung: Kein Scherz! - Marktkommentar von Christopher Kalbhenn
Geschrieben am 01-04-2016 |
Frankfurt (ots) - Zum Auftakt des vierten Monats des Jahres
geschrieben und dennoch kein Aprilscherz: Der Euro hat im ersten
Quartal gegen den Dollar um nahezu 5% aufgewertet! Welcher Analyst
hätte sich zum Jahreswechsel getraut, ausgerechnet das zu
prognostizieren. Schließlich war doch vorgezeichnet, dass sich die
geldpolitische und damit auch die Zinsschere zwischen dem Euroraum
und den Vereinigten Staaten noch weiter öffnen würde. Es kam jedoch
nicht ganz so wie erwartet. Die amerikanische Notenbank Fed hat nach
der im Dezember erfolgten Einleitung der Leitzinswende angesichts der
etwas zu unrund laufenden Weltwirtschaft beschlossen, den Druck auf
die Bremse etwas zu reduzieren. Sie ließ den zuvor als gesetzt
geltenden Märztermin für die zweite Leitzinserhöhung verstreichen,
und ihre Vertreter lassen derzeit kaum eine Gelegenheit aus, zu
betonen, dass die Fed Funds Rate nur ganz, ganz gemächlich auf ein
halbwegs normales Niveau zurückkehren wird.
1300 Euro pro Nase
Allerdings öffnet sich die geldpolitische Schere ungeachtet dessen
weiter. Denn die Fed hat lediglich die Füße stillgehalten, während
die Europäische Zentralbank (EZB) weiter unverdrossen Gas gibt, und
dies voraussichtlich weiterhin tun wird. Zum Quartalsultimo und damit
einen Tag zu früh, um dem Verdacht eines Aprilscherzes ausgesetzt zu
werden, erschien ein hochinteressantes Research-Stück der Nordea.
Darin war zu lesen, dass es sich die EZB leisten könnte, schlappe 444
Mrd. Euro bzw. 1300 Euro pro Nase aus dem Helikopter auf die
Bevölkerung des Euroraums niederschneien zu lassen, um damit die
Inflation endlich auf das gewünschte Niveau zu hieven. Wie das aber
die Erdölförderer Mitte dieses Monats in ihren Gesprächen in Doha
dazu bewegen soll, tatsächlich ihre Produktion so zu reduzieren, dass
die Teuerung auch eine Chance hat, schnell genug anzuziehen, ist
derzeit ebenso unbekannt wie die Flugrouten der Hubschrauber.
Vor rund drei Monaten wäre wohl auch ein Anlagestratege nur noch
milde belächelt worden, der prophezeit hätte, dass sich
Bundesanleihen im Auftaktquartal als eines der Assets erster Wahl
entpuppen würden. Ausgerechnet mit einer hohen Gewichtung deutscher
Staatstiteln bei gleichzeitig langer Duration wären Investoren jedoch
gut gefahren. Die zehnjährigen Bundesanleihen haben sich nämlich
wieder ihrem knapp über der Nulllinie liegenden Rekordtief aus dem
zurückliegenden Jahr angenähert. Ein Rückgang um 44 Basispunkte der
zur Jahreswende noch bei 0,60% liegenden Rendite hat den Haltern
dieser Papiere einen Gesamtertrag von rund 4,5% eingebracht, der
nicht zu verachten ist. Aktien sind dagegen der Favoritenrolle, die
ihnen noch zur Jahreswende zugedacht worden war, nicht ganz gerecht
worden. Nach dem miserabelsten Start seit rund einem halben
Jahrhundert reichte die im Februar begonnene Erholung des Dax nicht
mehr aus, um die Bilanz noch zu retten. Ein Minus von rund 7% ist das
schmachvolle Ergebnis. Wer auf die Aktie als die klar zu bevorzugende
Anlage gesetzt hat, musste sich am ersten April angesichts einer
Underperformance zu zehnjährigen Bundesanleihen von nahezu einem
Dutzend Prozentpunkten als Opfer eines Scherzes fühlen.
Fairerweise muss zugestanden werden, dass die Stichtagsbetrachtung
nicht ganz gerecht ist. Schließlich ist die Bilanz zum Quartalsultimo
ein Zufallsergebnis der starken Marktschwankungen und wurde die hohe
Volatilität von den Auguren auch völlig zutreffend vorausgesagt. Dass
der Euro den jüngsten Ausflug über 1,14 Dollar zu einer
ausgedehnteren Reise ausweiten kann und zehnjährige Bundesanleihen
performanceträchtig in den negativen Renditebereich eintauchen
werden, ist alles andere als eine ausgemachte Sache, und Aktien
können das negative Ergebnis des ersten Quartals unter Umständen
recht zügig ausbügeln. Die Herausforderungen an den Investor, die das
erste Quartal aufgezeigt hat, bedeuten auch Chancen. Wer auf dem Tief
im Februar bei 8699 Zählern den Dax gekauft hat, konnte sich Ende
März eines hohen Ertrags von 14,5% erfreuen.
Das erste Quartal hat deutlich vor Augen geführt, wie
unverzichtbar - aber eben auch potenziell profitabel - Flexibilität
derzeit für Investoren ist. Gezeigt hat dies besonders das
Schwellenländer-Problemkind Brasilien. Wer den Aktienindex Bovespa
auf seinem Tief vom 20.Januar gekauft hat, hatte zum Quartalsultimo
rund 35%, und ein in Dollar rechnender Anleger kam außerdem noch in
den Genuss eines Währungsgewinns von ca. 16%.
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