Mittelbayerische Zeitung: Günstiges Öl wird auf Dauer teuer / So schön die niedrigen Preise für einige sind: Langfristig lohnt sich teures Tanken mehr. Leitartikel von Martin Anton
Geschrieben am 18-04-2016 |
Regensburg (ots) - Ausgiebiges Grinsen an der Tankstelle,
erstaunte Blicke bei der Heizkostenabrechnung - Menschen, die Autos
mit Verbrennungsmotoren fahren oder einen Heizölkessel besitzen
gehören augenscheinlich zu den Gewinnern der aktuellen Ölpreiskrise.
Auch in anderen Bereichen kommt es aufgrund der niedrigen
Energiekosten zu Einsparungen. Insgesamt könnte eine länger
anhaltende Phase billigen Öls die Menschen aber teuer zu stehen
kommen. Denn zunächst gibt es schwere politische Folgen. Nicht nur
die Volkswirtschaften in den Ländern Saudi-Arabien und Iran, die im
Anschluss an die Verhandlungen in Doha als Hauptschuldige für das
Scheitern ausfindig gemacht wurden, leiden unter den Niedrigpreisen.
Länder wie Algerien und Venezuela brauchen die Erdöleinnahmen
dringend. Nigeria gilt wirtschaftlich zu 90 Prozent vom Öl abhängig.
Nun ist diese Abhängigkeit vieler erdölfördernder Länder sicherlich
auch die Folge fehlender Investitionen in andere Wirtschaftszweige zu
Zeiten, als mit dem Öl auch noch die Einnahmen sprudelten, und somit
hausgemacht. Das ändert aber nichts daran, dass die daraus
entstehenden Probleme auch über die Grenzen dieser Länder hinaus zu
spüren sind. Gerade in afrikanischen Staaten wie Nigeria, Angola oder
Algerien erhöhen dauerhaft niedrige Ölpreise den Migrationsdruck,
eben weil die Wirtschaften so sehr auf die Ölindustrie ausgerichtet
sind. Nigeria muss bereits neue Schulden machen, Sozialausgaben und
Renten sind in Gefahr, mit schrumpfenden Ressourcen steigt das
Potenzial für Konflikte und Flucht. Doch auch hierzulande wird nicht
langfristig gedacht. Denn mit dem bisschen Extra-Geld, das man beim
Tanken und Heizen spart, wird oft noch mehr getankt. Und die gleichen
Leute, die bei hohen Ölpreisen noch von Nullenergie-Haus, Shared
E-Mobility und Photovoltaik gesprochen haben, kaufen jetzt
Spritschleudern und Heizölkessel. auch in den Entwicklungsabteilungen
der Unternehmen, so beobachten Experten, hemmen niedrige Ölpreise
eher Innovationen als dass sie sie fördern. Das hat dann auch Folgen
für die Umwelt. Grundsätzlich sind Klimaschützer zwiegespalten, wenn
es um billiges Öl geht. Einerseits sorgen die Preise für mehr
CO2-Ausstoß und weniger Investitionen in klimafreundliche Energien.
Andererseits schafft die Ölschwemme auch, was Aktivisten seit Jahren
vergeblich versucht haben, nämlich den Stopp der Ölförderung in der
Arktis. Auch das umstrittene Fracking ist derzeit für etliche Firmen
nicht mehr rentabel. Denkt man zurück an die demonstrative
Ernsthaftigkeit, mit der Staats- und Regierungschefs im vergangenen
Winter in Paris noch den weltweiten Klimaschutz diskutierten, müsste
diese umweltpolitische Lose-lose-Situation eigentlich ernste
Konsequenzen für die Ölindustrie haben. Etwa durch Verbote gewisser
Fördermethoden, beziehungsweise -standorte, damit beim nächsten
Preisanstieg der Anreize für solche Investitionen entfällt. Denn das
Ziel kann nicht sein, sich nur vom Öl der großen Opec-Nationen
unabhängig zu machen, sondern muss sein, sich allgemein vom Öl
unabhängig zu machen. Dafür braucht es innovative Technologien und
stabile Förderländer, die zumindest die Möglichkeit haben, sich
alternative Einnahmequellen zu erschließen. Und wenn das klappt,
sollte man auch nicht zu enttäuscht sein, wenn das Tanken wieder
etwas teurer wird.
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Mittelbayerische Zeitung
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