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Börsen-Zeitung: Unverhandelbar, Kommentar zu TTIP von Detlef Fechtner

Geschrieben am 02-05-2016

Frankfurt (ots) - Ignacio Garcia Bercero hat gestern einen
erschöpften Eindruck hinterlassen. Man kann es dem
EU-Chefunterhändler für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP
nicht verdenken. Schließlich beschwört Bercero seit Wochen, dass
zentrale Sozial- und Umweltstandards der EU unverhandelbar sind. Doch
das glauben ihm immer weniger Europäer. Und deshalb scheint TTIP
selbst unverhandelbar geworden zu sein.

Die gestrige Veröffentlichung vertraulicher Verhandlungspapiere
hat erneut Anschauungsunterricht geboten. Die Kritiker sahen sich in
ihren Sorgen bestätigt - die Verfechter wiederum entdeckten
ausschließlich Altbekanntes. Beide Seiten taten sich dabei mit
teilweise zweifelhaften Argumenten hervor. Einige Kritiker werteten
bereits Hinweise auf (in diesem Zusammenhang unbedenkliche)
Rückfragen bei der Industrie als endgültigen Beweis der Klüngelei und
der Selbstentmachtung der Politik. Manchem TTIP-Befürworter wiederum
genügten (durchaus berechtigte) Mahnungen mit Blick auf
US-Forderungen, um kritische Beobachter pauschal der Angstmacherei
und bewussten Irreführung zu bezichtigen.

Und was ergibt sich nun daraus? Die Aussichten, dass es in diesem
Jahr noch klappt mit einer Einigung, waren zuletzt bereits gering -
und schwinden zusehends. Auch ohne die "Enthüllungen" ist offenbar,
dass die Verhandlungsseiten noch sehr, sehr weit auseinanderliegen -
etwa beim Investorenschutz oder beim Zugang zu öffentlichen
Aufträgen. Ein Deal wäre nur denkbar, wenn beide Parteien einen
großen Schritt aufeinander zu machten. Das dürfte aber in Zeiten
verdammt schwierig werden, in denen Kandidaten bei US-Vorwahlen mit
TTIP-Kritik punkten und in denen auch die Parteien in Deutschland und
Frankreich ein Jahr vor Bundestags- und Präsidentschaftswahl wenig
Interesse haben, sich bei Aufregerthemen gegen den Wind zu stellen.

Vieles spricht dafür, dass die TTIP-Kontroverse sogar noch über
den Freihandel hinaus wirkt. Wer weiß, ob es künftig überhaupt noch
möglich sein wird, vertrauliche Verhandlungen zu führen? Gewiss, es
gibt einige gute Gründe für die Ausweitung der Transparenz.
Allerdings: Wenn alle Seiten jede Bewegung hin zu einem Kompromiss
stets dokumentieren müssen, werden umfassende Vorhaben wie
internationale Abkommen, die sich auf viele kleine Zugeständnisse
gründen und deren Vorteile sich erst auf Dauer zeigen, kaum mehr
möglich sein. In anderen Worten: So etwas wie die EU wird man unter
solchen Bedingungen wohl nicht mehr hinbekommen.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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