Deutscher Bürovermietungsmarkt in starker Verfassung dank guter konjunktureller Entwicklung - Risiken und Unsicherheiten durch Brexit
Geschrieben am 04-07-2016 |
Frankfurt (ots) - Der Brexit fällt in eine Zeit guter und solider
konjunktureller Entwicklung in Deutschland. Nach einem Anstieg des
ifo-Geschäftsklimaindex im Mai hat dieser auch im Juni zugelegt - im
Quartalsverlauf insgesamt um knapp 2 Punkte. Im ersten Quartal 2016
ist das BIP um 0,7 % preis- und saisonbereinigt gegenüber dem
Vorquartal gestiegen. Dabei kommen die Wachstumsimpulse weiterhin aus
dem Inland: Die Konsumausgaben steigen auf einem nach wie vor hohen
Niveau. Insbesondere der private Konsum zeigt sich als Stütze der
Konjunktur. Aber auch von Seiten der Investitionen (Ausrüstungs- und
Bauinvestitionen) kommen positive Wachstumsimpulse. Zwar sind die
Exporte weiter gestiegen, da aber die Importe noch stärker zugelegt
haben, hemmt der Außenbeitrag derzeit das Wachstum in Deutschland.
Die gute Konjunktur hat positive Auswirkungen auf den
Arbeitsmarkt. So verzeichnet die Beschäftigung im Jahresverlauf ein
Plus um rund eine halbe Million Erwerbstätige (+1,3 %). Der Anstieg
entfällt insbesondere auf den Dienstleistungssektor. Mehr
Erwerbstätige führen zu mehr Konsum und implizieren expansive
Unternehmen, die mehr Flächen in Anspruch nehmen.
Im Gegensatz zur guten heimischen Konjunktur hellt sich das
außenwirtschaftliche Umfeld nur langsam auf - in den USA und Japan
ist das Wachstum ins Stocken geraten und China bleibt hinter den
Erwartungen zurück. Die Frühindikatoren deuten auf eine nur sehr
langsame Verbesserung hin. Insgesamt wird für das Jahr 2016 mit 3,2 %
ein globales Wirtschaftswachstum nur leicht über dem Vorjahresniveau
erwartet.
"Die guten wirtschaftlichen Fundamentaldaten in Deutschland und
das zarte Pflänzchen globaler Konjunktur stehen Ende Juni 2016 vor
großen Herausforderungen durch den Brexit. Nach einer Finanz-,
Staatsschulden- und Bankenkrise, einer mal mehr, mal weniger
schwelenden Griechenlandkrise kommt nun der nächste Paukenschlag.
Entgegen aller Erwartungen hat sich die Mehrheit der Briten für einen
Ausstieg aus der EU ausgesprochen, mit vieldimensionalen Folgen -
auch in Kontinentaleuropa", so Dr. Frank Pörschke, CEO JLL Germany.
Die Finanzmärkte, das Britische Pfund und der Euro haben starke
Kursverluste erlebt. Die politische und wirtschaftliche
Verunsicherung ist groß. Vieles scheint derzeit möglich (Umsetzung
des Referendums, Nicht-Beachten des Referendums durch die Regierung,
zweites Referendum, Zerbrechen des Vereinigten Königreichs) und der
Ausgang ist ungewiss. Diese Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft,
denn Standort-Investitionen setzen sichere politische wie
wirtschaftliche Rahmenbedungen voraus. Schon jetzt werden Rückschläge
für das Wachstum in Europa erwartet. Laut Consensus Forecasts wurden
die Prognosen für 2017 in Deutschland um 0,5%-Punkte und in
Großbritannien um 1,7 %-Punkte gesenkt.
Es gibt derzeit nur Fragen und keine Antworten:
- Wie schnell werden die politischen Weichen gestellt?
- Zerbricht Großbritannien durch Austritte von Schottland und
Nordirland?
- Welche Auswirkungen hat die Abstimmung auf andere
Mitgliedsländer der EU?
- Welche Unternehmen ziehen sich jetzt aus Großbritannien zurück
oder stellen ihre Investitionen ein?
- Welche Städte und Länder der EU werden letztendlich von
Fortzügen aus Großbritannien profitieren?
Pörschke: "Mit Blick auf den Immobilienmarkt wird eine Abwertung
von Immobilien in London aufgrund geringerer Flächennachfrage
erwartet. Wenn Unternehmen abwandern oder sich verkleinern, sinken
die Flächennachfrage und mittelbar auch das Mietniveau. Trotz großer
Verunsicherung ist aktuell kein panikartiges und überstürztes Agieren
der Immobilienmarktakteure zu bemerken. Hier heißt die Devise
zunächst: Bewertung der Situation und Abwarten auf den Antrag der
britischen Regierung und auf den Verlauf der Verhandlungen mit
Brüssel. Der Gesprächsbedarf der Marktakteure ist auf jeden Fall sehr
groß."
Uneinheitliches Bild in den Big7 - vier Märkte mit starkem
Umsatzwachstum
Wie auch immer: die deutschen Büro-Vermietungsmärkte haben in
Summe ein starkes erstes Halbjahr erlebt. Die Nutzernachfrage ist
aufgrund guter konjunktureller Rahmendaten hoch. Neben Expansionen
sind vor allem Flächenoptimierungen ein weiterer Umzugsgrund. In
einigen Märkten wird jedoch der Flächenumsatz durch Angebotsmangel
gehemmt. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2015 ist der Büroflächenumsatz
in den deutschen Big 7-Märkten um 9 % auf 1,79 Mio. m² gestiegen. Der
5-Jahresschnitt der jeweils ersten Halbjahre wurde um 17 %
übertroffen. Verzeichneten Berlin und Frankfurt im ersten Quartal
erhebliche Umsatzzuwächse von jenseits der 50 %-Marke, so gesellen
sich mit Blick auf das Halbjahr München und Köln als weitere
Wachstumsmärkte hinzu. In diesen vieren liegt der Umsatz im Vergleich
zum Vorjahreszeitraum (also H1 2016 vs. H1 2015) zwischen rund 22 und
25 % höher. Mit deutlichem Abstand entfällt dabei das höchste
Umsatzvolumen auf Berlin mit fast 450.000 m². Rückgänge beim
Flächenumsatz weisen Hamburg(-6 %), Düsseldorf (-14 %) und Stuttgart
(-30 %) auf.
Im Halbjahr gab es insgesamt zwölf Großabschlüsse mit 10.000 m²
und darüber, darunter sticht die Anmietung der Zurich Versicherung in
Köln mit rund 60.000 m² hervor. Unter den Big 7-Märkten war das der
größte Deal seit 2010 (damals EZB in Frankfurt).
"Die Umsatzprognose für das Gesamtjahr 2016 haben wir auf 3,5 Mio.
m² angehoben - das läge rund 4 % unter dem außergewöhnlich hohen Wert
von 2015. Würden die 3,5 Mio. m² realisiert, wäre ein Plus um 9 %
gegenüber dem 5- und 13 % über dem 10-Jahresdurchschnitt zu
bilanzieren", so Timo Tschammler, Member of the Management Board JLL
Germany. Tschammler weiter: "In Anbetracht eines traditionell
stärkeren zweiten Halbjahres an den Vermietungsmärkten sehen wir
optimistisch auf den restlichen Verlauf des Jahres. Inwiefern sich
die Brexit-Entscheidung auf Frankfurt und möglicherweise weitere
Büromärkte auswirken wird, bleibt abzuwarten. Sollten die
Unsicherheiten und schlechtere Erwartungen über einen längeren
Zeitraum die Oberhand gewinnen, sind Aufschübe der
Standortentscheidungen nicht auszuschließen."
Die Nettoabsorption im zweiten Quartal 2016 beträgt starke 320.000
m² mit einem dementsprechenden Anwachsen des belegten
Büroflächenbestands im Berichtsquartal in der Konsequenz, die
Expansionstätigkeit der Nutzer widerspiegelnd. Für das Gesamtjahr
2016 wird eine Nettoabsorption in Höhe von 1 Mio. m² erwartet,
vergleichbar zum Vorjahr.
Leerstände sinken weiter
Das kurzfristig verfügbare Angebot an Büroflächen sinkt weiter.
Der Leerstand über alle Big 7-Märkte hinweg hat sich im Vergleich zum
Vorquartal um fast 150.000 m² auf 5,44 Mio. m² reduziert. Die
kumulierte Leerstandsquote notiert bei nun 6,1 % (-0,2 %-Punkte im
Vorquartalsvergleich). Das ist der niedrigste Stand innerhalb der
vergangenen 10 Jahre. Außer in Frankfurt hat sich der Leerstand in
allen Märkten (besonders stark in München um 90.000 m² und Berlin
45.000 m²) reduziert. Frankfurt verzeichnet als einziger Markt einen
Leerstandsanstieg von 50.000 m², zurückzuführen auf spekulative
Fertigstellungen zwischen April und Ende Juni. Bis Jahresende kommen
aber kaum weitere unvermietete Flächen auf den Frankfurter Markt.
Stuttgart verzeichnet weiterhin die niedrigste Leerstandsquote mit
4,3 % und Frankfurt die höchste mit 9,3 %. In vielen Märkten
markieren die aktuellen Werte die langfristigen Minima. In München
wurde seit 2002 erstmals wieder die 5 %-Marke unterschritten. Bis
Jahresende wird für die Big 7 ein weiterer leichter Rückgang um
55.000 m² (0,1 %-Punkte) erwartet. Nächstes Jahr kann sogar die 6
%-Marke der Leerstandsquote unterboten werden.
"Bereits im Vorquartal haben wir berichtet, dass Nutzer immer
häufiger vor der Notwendigkeit stehen, ihre Suchradien über die
Topteilmärkte oder ihre jeweiligen angestammten Teilmärkte hinaus
auszudehnen. Nun zeigt sich sowohl bei den Anfragen und
Flächenprüfungen als auch bei den Abschlüssen insbesondere von
Großnutzern, dass Büroimmobilien abseits der Toplagen sondiert
werden", so Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Und
weiter: "In München fällt der Blick der Nutzer wieder in Richtung
Umland, in Berlin rückt der Blick bis zum S-Bahn-Ring und in Hamburg
ist die City Süd ein begehrter Back-Office-Standort."
Zwischenhoch an Fertigstellungen in 2016 - 2017 wieder Rückgang
Das sinkende Flächenangebot - der kumulierte Leerstand der Big 7
sinkt stetig seit Sommer 2011 - hat zu einem Anstieg der Bautätigkeit
geführt. Anfang 2016 waren so viele Büroflächen im Bau wie in den
vorherigen 10 Jahren nicht. Im ersten Halbjahr wurden Büroflächen in
Summe von knapp über 500.000 m² fertiggestellt - das sind 19 % mehr
als im Vorjahresvergleichszeitraum. Das ist der viertgrößte
Halbjahreswert der vergangenen 5 Jahre und liegt 14 % über dem
5-Jahresschnitt. In den vier Märkten Frankfurt, Hamburg, München und
Stuttgart wurden jeweils zwischen 96.000 m² (Stuttgart) und 108.000
m² (Hamburg) realisiert. Der Anteil freier Flächen an den
Gesamtfertigstellungen liegt bei einem Fünftel. München sticht mit
einem geringen Wert von nur 6 % heraus. In Frankfurt auf der anderen
Seite sind 46 % der in H1 fertigstellten Flächen noch nicht
vermietet.
Bis Jahresende kommen noch einmal 700.000 m² fertigstellte
Büroflächen hinzu (davon allein in Berlin 267.000 m²). Das entspräche
einem Fertigstellungsvolumen in 2016 von insgesamt 1,21 Mio. m² - das
höchste seit 2009. Der Ausblick auf 2017 fällt allerdings wieder
deutlich niedriger aus - 870.000 m² werden erwartet. Der Anteil
freier Flächen, die im zweiten Halbjahr 2016 auf den Markt kommen
(185.000 m²), liegt bei einem Viertel, für 2017 (370.000 m²) bei 42
%. Den höchsten Anteil freier Flächen an der Pipeline bis Ende 2017
weist Köln auf (63 %), den niedrigsten Wert Stuttgart (27 %), gefolgt
von München (30 %).
Seit dem letzten Minimum der Bautätigkeit Ende 2010 (1,38 Mio. m²
im Bau) hat sich das Bauvolumen deutlich erhöht. Derzeit befinden
sich 1,97 Mio. m² Bürofläche in den Big 7 im Bau. Der Großteil davon
in München (460.000 m²) und Berlin (442.000 m²). Trotz der hohen
Fertigstellungen in den ersten sechs Monaten von über einer halben
Million Quadratmeter ist das Bauvolumen nur knapp unter dem Wert aus
Q4 2015. Das bedeutet, dass in diesem Zeitraum über 400.000 m² an
Bürofläche neu in den Bau gegangen sind beziehungsweise eine
umfassende Sanierung begonnen worden ist. "Gerade in Berlin werden
Sanierungen als Möglichkeit gesehen, "neue" Büroflächen auf den Markt
zu bringen und das schneller als mit einem Neubau. Da es in der
Hauptstadt einen relativ geringen spekulativen Neubau gibt, können
sich Sanierungen hier lohnen", so Scheunemann.
Positive Mietpreisentwicklung bleibt erhalten
Die Mischung aus guter Konjunktur, stabiler bis hoher
Flächennachfrage bei rückläufigem Angebot wirkt sich auf die
Spitzenmieten der Büromärkte aus. In vier von sieben Märkten zeigen
die Spitzenmieten im Quartalsverlauf einen Zuwachs. Der mit 1,50 Euro
starke Anstieg in Berlin spiegelt die Entwicklung der vergangenen
Quartale mit hohen Umsätzen und sinkenden Leerständen wider. "Neben
der Knappheit an Topflächen gibt es einen weiteren Grund für den
rasanten Mietpreisanstieg: Einige neue Business Center kommen auf den
Markt, die durch ihr Geschäftsmodell in der Lage sind, höhere
Mietpreise zu bezahlen", so Scheunemann. Auch für Düsseldorf, München
und Stuttgart werden Mietpreisanstiege notiert. Hier liegt das Plus
bei jeweils 0,50 Euro. Im Jahresvergleich bewegte sich das Wachstum
der Spitzenmiete in sechs der sieben Immobilienhochburgen zwischen
1,9 % (Düsseldorf) und 10,9 % (Berlin). Nur in Köln blieb sie
unverändert. Damit legte der Spitzenmietpreisindex für die Big 7 um
3,7 % zu. Bis Jahresende werden weitere Anstiege der Spitzenmiete in
Berlin, München und Stuttgart erwartet.
Die Nutzer müssen für erstklassige Büroimmobilien (in der Regel
Projektentwicklungen oder vor kurzem gebaute Gebäude) in den Toplagen
einen immer höheren Mietpreis bezahlen, denn die Konkurrenz unter den
Nutzern steigt. Einerseits gibt es die erwähnte geographische
Ausdehnung der Suchradien, andererseits ist zu beobachten, dass
einige Nutzer (Dienstleister wie Berater oder Rechtsanwälte) auf
Topflächen in Toplagen zur Anziehung von Toptalenten angewiesen sind.
"Hier wird sich zukünftig der durchsetzen, der höhere Mieten bereit
und in der Lage ist zu bezahlen", so Tschammler.
Pressekontakt:
Dorothea Koch, Tel. 069 2003 1007, dorothea.koch@eu.jll.com
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