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Rheinische Post: NRW-Verkehrsminister Groschek will mehr Vollsperrungen auf Autobahnen und Standspuren bei Staus freigeben

Geschrieben am 12-08-2016

Düsseldorf (ots) - Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister
Michael Groschek (SPD) will mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen die
Dauer-Staus auf Autobahnen verringern. Dazu gehören ein besseres
Baustellenmanagement, mehr Vollsperrungen statt langwieriger
Baustellen, Strafen für Bummel-Firmen und die Freigabe von
Standspuren bei Staus. "Wir müssen die Baustellen immer weiter
optimieren. Vollsperrungen als Mittel der Baustellenbeschleunigung
sind akzeptiert", sagte der SPD-Politiker der in Düsseldorf
erscheinenden "Rheinischen Post" (Freitagausgabe). "Wir müssen zudem
die Standstreifen ertüchtigen, um sie vorübergehend als Fahrspuren
nutzen zu können. Ich bin auch für höhere Strafen gegen Bummelfirmen,
die die Arbeit auf Autobahnbaustellen unnötig verzögern", ergänzte
Groschek. Auch Lärmschutzmaßnahmen, so der Minister, müssten
"dieselbe Priorität haben wie die Optimierung des Verkehrs".

Das ganze Interview:

Wie wollen Sie verhindern, dass nach Petra Hinz auch andere
Politiker ihren Lebenslauf fälschen? Groschek Das Gute am Ende des
Schlechten ist: Es gibt jetzt einen Termin. Ende dieses Monats
scheidet Frau Hinz aus dem Deutschen Bundestag aus. Ich bin dagegen,
dass der Bundestagspräsident künftig wie ein Aufsichtsrat die
Zeugnisse von Parlamentariern überprüft. Das muss früher geschehen.
Politiker sollten schon auf der Kreistagsebene eine eidesstattliche
Erklärung abgeben, dass ihre Angaben zum Lebenslauf der Wahrheit
entsprechen. Damit werden Lebenslauf-Lügen von Politikern strafbar.
Ich vermute, das schreckt ab.

Schadet der Fall Hinz der Glaubwürdigkeit von Politikern? Groschek
Auf jeden Fall. Hinzu kommt die Sorge, dass ein solcher Fall mit all
seinen Begleitumständen Menschen davon abhält, sich politisch zu
engagieren. Die Leute fragen sich jetzt: Auf was für ein Geschäft
lasse ich mich da ein? Die großen Parteien haben schon genug
Schwierigkeiten, Leute zu finden, die sich engagieren.

... vielleicht leidet die Politik auch unter der mangelnden
Glaubwürdigkeit ihrer Versprechen. War die Mietpreisbremse ein Flopp?
Groschek Bislang hat sie noch nicht die gewünschte Wirkung gezeigt.
Möglicherweise gibt es noch zu viele Tricks, mit denen Vermieter sie
umgehen. Aber anders als Berlin sage ich noch nicht, dass wir die
Mietpreisbremse bereits korrigieren müssen. Wir sollten noch ein Jahr
abwarten und dann entscheiden, ob und was wir ändern wollen.

Wann wird Wohnen in NRW wieder bezahlbar? Groschek Aktuell gehen
wir von einem Bedarf von rund 400.000 Wohnungen bis 2020 aus, denn
NRW wächst. Das ist ambitioniert, aber durch die Mobilisierung von
Leerstand einerseits und den Neubau anderseits können wir das packen.
Bis das so ist, bleibt Wohnraum in den Ballungsregionen tendenziell
teuer. Um diese Lücke zu schließen, haben wir in NRW die bundesweit
beste Förderkulisse für sozialen Wohnungsbau errichtet. Es rächt sich
jetzt, dass unter der Vorgängerregierung viele städtische
Wohnungsbaugesellschaften und die landeseigene LEG privatisiert
wurden.

Rot-Grün kann die LEG ja über die Börse zurückkaufen ... Groschek
Das ist verschüttete Milch. Die privatisierten
Wohnungsbaugesellschaften müssen jetzt selbst Verantwortung
übernehmen und mehr in Neubauten investieren. Vor allem muss anders
gebaut werden: Schneller und höher. Die jüngsten Energiesparvorgaben
haben Neubauten nochmals um sieben Prozent verteuert. Diese Auflagen
müssen entschärft werden. Außerdem müssen wir uns von der
Gepflogenheit verabschieden, dass Wohngebäude nur vier Stockwerke
hoch sein dürfen. Die technische Grenze, bis zu der Gebäude noch
günstig zu bauen sind, liegt bei sieben bis acht Stockwerken. In
Städten wie Düsseldorf und Köln müssen diese Möglichkeiten genutzt
werden. Städte wie Wien zeigen, dass Wohnungs-Hochhäuser keineswegs
das Stadtbild verschandeln.

Hochhäuser gelten als soziale Brennpunkte .... Groschek ... das
kommt auf das Management an. Ein Hochhaus ist wie ein vertikales
Dorf. Wenn es in einem solchen Hochhaus eine funktionierende soziale
Struktur gibt mit Nachbarschaftsinitiativen,
Interessensgemeinschaften und vielleicht sogar einer Art freiwilligen
Feuerwehr, die den Nachbarn hilft, dann funktioniert auch ein
Hochhaus.

NRW scheint ein generelles Problem mit Bauwerken zu haben: Wie
kann die Leverkusener Autobahnbrücke so lange vor sich hin bröckeln,
bis eine Vollsperrung der A1 droht? Groschek Diese Brücke ist ein
Mahnmal für den Zustand der deutschen Infrastruktur. An ihr lässt
sich der Bewusstseinswandel schön erklären: Vor der A1 standen der
Pisa-Schock und die Ostorientierung bei der Vergabe von Mitteln immer
ganz oben. Alle, die mit Beton zu tun hatten, galten als Dinosaurier.
Erst die mediale Präsenz dieses Brückendesasters auf der A1, einer
der wichtigsten Magistralen der Nation, hat das Bewusstsein für den
Erhalt unserer Infrastruktur geschärft. Ich hätte mir auch gewünscht,
dass das früher aufgefallen wäre. Übrigens haben wir dasselbe Problem
auch bei der Duisburger Brücke Neuenkamp. Die ist mit der
Leverkusener Brücke baugleich. Da sind die Schäden nur noch nicht so
gravierend.

Warum hat die SPD als einzige Partei im Landtag keine Meinung zur
Kapazitätserweiterung des Düsseldorfer Flughafens? Groschek Es geht
nicht um eine Meinung, sondern um Recht und Gesetz. Als
Verkehrsminister habe ich zu prüfen, ob der Antrag des Flughafens auf
mehr Flugbewegungen sich mit den rechtlichen Vorgaben in Einklang
bringen lässt. Darüber entscheiden nicht Parteitage und
Landtagswahlen, sondern Juristen. Gegen diesen Antrag gibt es 40.000
schriftliche Widersprüche. Das ist ein einmaliges Ausmaß und zeigt,
wie sorgfältig wir hier vorgehen müssen. Das wird weder kurz vor noch
kurz nach der Landtagswahl entschieden. Die Prüfung wird noch sehr
lange dauern.

Sind Sie Technokrat oder Politiker? Groschek Meine politische
Vision ist, dass NRW das logistische Tor zur Welt wird. Europas
Logistik-Standort Nummer Eins. Platzhirsch und Jobmaschine. Unsere
zentrale Lage, die Nachtflugmöglichkeiten für Fracht in Köln-Bonn und
der Binnenhafen in Duisburg und unser Straßennetz sind eine
historische Chance, auf diesem stark wachsenden Zukunftsmarkt zu
punkten. Im Bereich Luftfahrt müssen wir hier aber erst auf das
Bundesluftfahrtkonzept warten, innerhalb dessen wir dann unser
Landesluftfahrtkonzept entwickeln.

Die Vision von noch mehr Verkehr macht vielen Menschen in NRW
Angst ... Groschek Wir müssen berücksichtigen, dass wir in einem der
am dichtesten besiedelten Ballungsräume Europas operieren. Das
bedeutet: Wir müssen diese Sorgen und Ängste der Menschen noch
ernster nehmen, als andere Regionen Europas. Aber ich will auch keine
falschen Erwartungen wecken: Wir werden ein Jahrzehnt der Baustellen
erleben und erleiden.

Mehr Baustellen für noch mehr Verkehr - wie schaffen Sie dafür
Akzeptanz? Groschek Wir müssen die Baustellen immer weiter
optimieren. Als ich damals für eine Baustelle die Vollsperrung der
A40 durchgesetzt habe, um dort schneller fertig zu werden, wurde ich
für bekloppt erklärt. Inzwischen sind Vollsperrungen als Mittel der
Baustellenbeschleunigung akzeptiert. Wir müssen die Standstreifen
ertüchtigen, um sie vorübergehend als Fahrspuren nutzen zu können.
Ich bin auch für höhere Strafen gegen Bummelfirmen, die die Arbeit
auf Autobahnbaustellen unnötig verzögern. Ganz wichtig:
Lärmschutzmaßnahmen müssen dieselbe Priorität haben wie die
Optimierung des Verkehrs. Wenn wir belegen können, dass unsere
Baumaßnahmen nicht nur zu mehr Verkehr sondern auch zu leiserem
Verkehr führen, haben wir weniger Widerstand und werden schneller
fertig. Flüsterasphalt muss im Autobahnbau die Regel werden. An den
Flughäfen setze ich auch auf steilere An- und Abflugwinkel, um die
Belastung der Anwohner zu senken.

Ist das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million
Elektroautos auf die Straße zu bringen, noch realistisch? Groschek
(lacht) Nein. Wir werden eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020
schaffen. Aber auf zwei Rädern, nicht auf vier. Ich meine den enormen
Boom der Elektro-Fahrräder, den niemand geahnt hat. Das muss man
nutzen. Diese Elektro-Auto-Förderung ist ein Rohrkrepierer. Ich
plädiere dafür, die Förderung von Elektroautos einzustampfen und das
Geld in die Entdieselung des ÖPNV zu investieren. Gleichzeitig werden
wir Radschnellwege ausbauen. Wenn wir die Menschen vom Auto aufs
Elektrofahrrad bringen, ist der Umwelt genauso gedient wie mit
Elektroautos. Und wir tun gleichzeitig etwas gegen die Staus.



Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621


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