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Mittelbayerische Zeitung: Dicke Bretter bohren - Anerkannte Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist eine riesige Herausforderung. Von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 14-09-2016

Regensburg (ots) - Als vor über 50 Jahren die ersten
"Gastarbeiter" aus Italien, Spanien, Griechenland, Portugal, der
Türkei oder Jugoslawien nach Deutschland kamen, geschah dies vor
allem, weil den hiesigen Unternehmen schlicht Arbeitskräfte fehlten.
Die neuen südländischen Kollegen, die zumeist schlecht oder gar nicht
Deutsch sprachen, verrichteten vor allem schlecht bezahlte
Hilfsarbeiten in der damals boomenden Kohle- und Stahlindustrie.
Später stellten auch Autobauer ausländische Kollegen ein. Über deren
"Integration" in die deutsche Gesellschaft machte man sich damals
kaum Gedanken. Denn die Gäste waren schließlich zum Arbeiten, zum
Geldverdienen gekommen. Irgendwann würden sie wieder nach Hause
gehen. Dies war freilich ein fataler Trugschluss jener Jahre.
Heinrich Böll schrieb seinerzeit: Wir riefen Arbeitskräfte und es
kamen Menschen. Manche heutige Probleme mit Migranten der inzwischen
dritten Generation gehen auf jene Fehleinschätzung zurück. Neben
Beispielen für gelungene Integration konnten sich Parallelwelten
entwickeln. Die damaligen Fehler sollten heute angesichts von
hunderttausenden Flüchtlingen, die eine Arbeit und Einkommen suchen,
möglichst nicht wiederholt werden. Dazu gehört, dass man sich den
Realitäten stellt. Wunschdenken, dass etwa Flüchtlinge das deutsche
Fachkräfteproblem würden lösen können - und dies auch noch in kurzer
Zeit -, hilft da nicht weiter. Bestenfalls können Flüchtlinge den
Mangel an Arbeitskräften in bestimmten Bereichen etwas mildern. Das
ist immerhin etwas. Es müssen dicke Bretter gebohrt werden. Und auch
politisch ist die Herausforderung höchst brisant. Noch immer geistert
das Vorurteil durchs Land, dass "die" Flüchtlinge "den" Deutschen die
Arbeit wegnähmen. Auch gilt es zu verhindern, dass durch die
Beschäftigung von Flüchtlingen Sozialstandards unterlaufen werden,
dass etwa dauerhaft der gesetzliche Mindestlohn ausgehebelt wird.
Kurz, dass massenhaft Beschäftigung zu Dumpinglöhnen entsteht. Es
hilft wenig, wenn von der Politik nun die "große
Gemeinschaftsaufgabe" der Integration ins Arbeitsleben in
Wir-schaffen-das-Manier beschworen wird, sie muss vielmehr konkret
geplant, angepackt und umgesetzt werden. Das A und O für einen
erfolgreichen Start ins Arbeitsleben ist das Erlernen der deutschen
Sprache. Dafür haben der Staat, natürlich die beteiligten Flüchtlinge
selbst, aber auch Unternehmen eine Bringschuld. Bislang sind die
angebotenen Sprachkurse viel zu gering. Doch das Warten darauf, bis
alle einen Kurs bekommen, hilft auch nicht weiter. Viele kleinere
Unternehmen, vor allem aus dem Handwerk, die bereits Flüchtlinge in
Arbeit und/oder Ausbildung haben, machen vor, wie das Erlernen der
Sprache innerhalb der Ausbildung funktionieren kann. Beispielhafte
Aktionen, wie etwa das Netzwerk der Industrie- und Handelskammern
"Unternehmen integrieren Flüchtlinge", brauchen viele Nachahmer. Denn
noch handelt es sich dabei nur um erste zarte, aber gleichwohl
notwendige Anfänge. Und natürlich stehen die Jobcenter und
Arbeitsagenturen, die bereits mit ihren bisherigen Kunden alle Hände
voll zu tun haben, vor einer Riesenaufgabe. Niemand kann ein
Interesse daran haben, dass arbeits- und ausbildungsfähige
Flüchtlinge längere Zeit von Hartz IV leben. Das gestrige Treffen von
Wirtschaftsverbänden mit der Bundesregierung konnte insofern nur ein
Auftakt, nur ein Beschreiben der Herausforderungen sein. Freilich,
ein wenig mehr Verbindlichkeit, was der Staat und die Unternehmen auf
diesem Gebiet binnen Jahresfrist leisten wollen, wäre noch besser
gewesen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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