Börsen-Zeitung: Ratlos in Tokio, Kommentar zur Bank of Japan von Martin Fritz
Geschrieben am 21-09-2016 |
Frankfurt (ots) - Die Bank of Japan (BoJ) unter Gouverneur
Haruhiko Kuroda will die Deflation dauerhaft besiegen und das
Wirtschaftswachstum ankurbeln, indem sie die Inflationsrate
nachhaltig auf 2% treibt. Für diese ehrenhaften Ziele hat sich die
Notenbankführung in den vergangenen dreieinhalb Jahren einiges
einfallen lassen: zunächst die kräftige Ausweitung der Geldbasis,
dann die Einführung von milden Strafzinsen, nun die Kontrolle der
Zins- bzw. Renditekurve. Doch die eigene Zwischenbilanz ist
ernüchternd ausgefallen: Zwar wurden die Realzinsen gedrückt und die
Inflationserwartung wurde erhöht, aber das Inflationsziel wurde nicht
erreicht. Dafür seien vor allem gesunkene Rohstoffpreise
verantwortlich, redeten sich die Notenbanker heraus.
Wenn diese Analyse wirklich stimmt, dann müsste Kuroda
Konsequenzen ziehen - also mehr Staatsanleihen kaufen, die
Strafzinsen verschärfen oder etwa über Helikoptergeld nachdenken.
Zumal akuter Handlungsbedarf besteht: Seit Monaten steigen die Preise
immer langsamer, Bürger und Firmen erwarten weniger Inflation. Japan
fällt ins deflationäre Denken zurück: Viele Geschäfte setzen vor
allem auf Rabatte, Löhne und Gehälter wachsen kaum noch. Doch die
Geldpolitik stagniert. Die nun angekündigte Flexibilisierung der
Wertpapierkäufe ist letztlich reine Kosmetik, weil die Rendite der
zehnjährigen Staatsanleihen schon nahe an den angestrebten 0% liegt.
Warum handelt Kuroda also nicht? Vermutlich befürchtet er, dass
neue Maßnahmen am Finanzmarkt genauso verpuffen könnten wie die
Einführung des Negativzinses Ende Januar. Das Risiko eines erneuten
Scheiterns will er nicht eingehen. Lieber setzt er klammheimlich
darauf, dass die Zinsen in den USA steigen und in der Folge der Yen
wieder abwertet. Der schwache Wechselkurs war der eigentliche Hebel
für seine bisherigen Erfolge bei der Überwindung der Deflation. Doch
Kuroda selbst hat keine überzeugenden Instrumente mehr, um den Yen zu
schwächen. Der Markt hört nicht mehr auf ihn.
Zugleich ist ein Zurück kaum mehr möglich. Schon ein Tapering der
BoJ-Wertpapierkäufe würde den Aktien- und Bondmarkt erschüttern, vom
Abbau der Bestände ganz zu schweigen. Die eigentliche Leistung der
extremen Geldpolitik in Japan besteht darin, dass ein Großteil der
Staatsschulden zur öffentlichen Hand gewandert und de facto
neutralisiert worden ist. Dazu hat die Führungsspitze der Notenbank
bisher kein Wort verloren. Womöglich ist sie bei diesem heiklen Thema
ähnlich ratlos wie bei der Steigerung der Inflationsrate.
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