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Börsen-Zeitung: Fair bleiben, Kommentar zum Auftritt von EZB-Chef Draghi im Bundestag von Mark Schrörs

Geschrieben am 27-09-2016

Frankfurt (ots) - So sehr sich die Europäische Zentralbank (EZB)
auch bemüht, den Besuch von Notenbankchef Mario Draghi am Mittwoch im
Bundestag herunterzuspielen - das ist ohne Frage ein ebenso
besonderer wie heikler Termin. Das gilt erst recht nach der verbalen
Fehde zwischen Unionspolitikern und der EZB im Frühjahr, die gar in
CSU-Forderungen gipfelte, Draghis Nachfolger müsse ein Deutscher
werden - und angesichts einer möglichen neuerlichen Ausweitung der
ultralockeren Geldpolitik. Eine erneute Eskalation aber darf es nicht
geben. Ein Showdown würde - unabhängig vom Ausgang - beiden Seiten
immens schaden.

Die Abgeordneten wollen Draghi in die Mangel nehmen. Das ist nicht
nur ihr gutes Recht, sondern aktuell ihre Pflicht. Tatsächlich nimmt
der Nutzen jeder weiteren EZB-Maßnahme ab, während die Risiken vor
allem für die Finanzstabilität rasant steigen. Davor hat selbst
Draghis Intimus Benoît Coeuré gewarnt. Die Zentralbank der
Zentralbanken BIZ mahnt sogar, womöglich sei der Punkt erreicht, an
dem die Geldpolitik mehr Schaden anrichtet als Nutzen stiftet. Die
Kritik muss aber fair und sachlich bleiben. Debatten über die
"richtige" Nationalität des EZB-Präsidenten sind irrwitzig.

Die Politik, auch jene in Berlin, kann zudem nicht ihre Hände in
Unschuld waschen. Es stünde ihr frei, Vorteile durch die
Milliarden-Einsparungen bei der Zinslast an die um ihre
Altersvorsorge besorgten Bürger weiterzureichen. Vor allem aber
könnte auch Berlin aktuell einiges dafür tun, dass es der
Euro-Wirtschaft besser geht. Das meint nicht plumpe
schuldenfinanzierte Konjunkturpakete. Aber mehr Investitionen vor
allem in Bildung und weitere Strukturreformen könnten für nachhaltig
mehr Wachstum sorgen. Immer neue (Renten-)Wahlgeschenke und das
Zurückdrehen von Reformen bewirken das genaue Gegenteil.

Draghi seinerseits muss die Sorgen der Deutschen ernst nehmen -
auch wenn er nicht alle versteht. Das große Misstrauen der Deutschen
muss ihn alarmieren. Vertrauen ist das wichtigste Gut jeder
Zentralbank. Solange sich die Wirtschaft robust zeigt und mehr
Inflation absehbar sind, sollte die EZB nicht schon wieder die
geldpolitische Brechstange herausholen. Insbesondere aber muss Draghi
klar machen, dass die EZB einen Plan für den Ausstieg aus der
beispiellosen Geldschwemme hat. An einer solchen Perspektive mangelt
es bisher.

Es wäre verheerend, wenn die EZB und die Geldpolitik nach oder
neben der Flüchtlingskrise zum Wahlkampfschlager wird. Die Attacken
von US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump auf die US-Notenbank Fed
belegen, dass davon nur eine Seite profitieren würde - die
Populisten.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

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