Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Steinmeier
Geschrieben am 14-11-2016 |
Regensburg (ots) - von Reinhard Zweigler, MZ
Die Gewinne anderer würden oft wie eigener Verlust empfunden,
meinte einst Wilhelm Busch. Der vor über 100 Jahren gestorbene
humorvolle Zeichner und Dichter konnte die jetzige Konstellation um
die Kandidatensuche für den nächsten Bundespräsidenten natürlich
nicht ahnen. Doch sein Bonmot trifft die Lage ziemlich genau.
Gabriels Coup mit der Nominierung von Frank-Walter Steinmeier zum
Gauck-Nachfolger ist gleich eine doppelte Niederlage für die
Kanzlerin. Erstens hatte Angela Merkel keine Kandidatin, keinen
Kandidaten aus dem CDU-Revier anzubieten, die oder der auch nur
annähernd das Gewicht des beliebten Außenministers gehabt hätte. Und
zweitens konnte sie ihren Lieblings-Grünen Winfried Kretschmann nicht
gegen den mosernden bayerischen Löwen Seehofer durchsetzen. Sollte
Merkel wiederum die Unions-Kanzlerkandidatur übernehmen, wovon
auszugehen ist, geht die CDU-Chefin angeschlagen ins Rennen. Sigmar
Gabriel, dem in den vergangenen Jahren als Parteichef und als
Wirtschaftsminister nicht all zu viel gelungen ist, kann endlich
einmal gegen die Dauerkanzlerin Angela Merkel einen Punkt machen. Die
frühe Nennung des Namens Steinmeier erwies sich im Nachhinein als
kluger Schachzug. Damit baute er Druck gegen die Union auf, die
derzeit ziemlich uneins ist. Noch dazu hätte der Chefdiplomat
Steinmeier, der weit über die SPD-Grenzen hinaus Respekt genießt,
auch in einer Kampfabstimmung eines dritten Wahlganges in der
Bundesversammlung große Chancen gehabt. Ein Unions-Kandidat wäre dann
vermutlich durchgefallen. Zumindest dies verhinderte Merkel nun, die
Steinmeier plötzlich als "Kandidaten der Vernunft" preist. Dabei
hatte sie den SPD-Minister noch bis vor kurzem jede Unterstützung
verweigert. Das war ziemlich unvernünftig von Merkel. Die Kanzlerin
steht nun, zumindest in der Präsidentenfrage, als Verliererin da.
Dass es gleichwohl vernünftig ist, in den jetzigen stürmischen Zeiten
einen erfahrenen und weltläufigen Politiker zum Staatsoberhaupt zu
machen, ist dennoch richtig. Dem reichlich amtsmüden einstigen
DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck folgt damit bald ein Mann nach, der
den Politikbetrieb aus dem Effeff kennt. Das ist zwar eine gute
Voraussetzung für das Schloss Bellevue. Zugleich aber muss Steinmeier
erst noch nachweisen, dass er sich vom Politikgeschäft emanzipieren
kann. Gauck dagegen ist, wie auch schon Vorgänger vor ihm, ein
Bürgerpräsident. Dabei hat der einstige Chef der
Stasi-Unterlagenbehörde weniger den Regierenden die Leviten gelesen,
wie dies etwa Richard von Weizsäcker getan hat, sondern mehr das
Hohelied der Freiheit gesungen. Der kantige Gauck wollte nie den
Beifall von allen Seiten. In der Flüchtlingsfrage hat er sich
einerseits zur Aufnahme von Verfolgten und deren Integration
eingesetzt, gleichzeitig aber auch vor einer Überforderung der
Bevölkerung gewarnt. Neben Beifall erlebte der Amtsinhaber auch
wütende Proteste gegen sich. Gemeint war offenbar vor allem die
Politik "der da oben", wozu man auch ihn zählt. Der "Glücksfall"
Gauck als Bundespräsident wird sich nicht wiederholen lassen. Nun
wird ein gestandener "Parteisoldat" das protokollarisch höchste Amt
im Staat bekleiden. Die Personalie Steinmeier mag für die Union kein
Ruhmesblatt und speziell für Merkel sogar ein Dämpfer sein, für das
ganze Land betrachtet, bedeutet sie jedoch Stabilität und
Kontinuität. Das zählt jetzt.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
602837
weitere Artikel:
- Weser-Kurier: Über die Europäische Union schreibt Mirjam Moll: Bremen (ots) - Die EU muss ihre Angelegenheiten selbst in die Hand
nehmen. Zu lange hat man sich auf andere verlassen - sei es in der
Flüchtlingskrise auf die Anrainer-Staaten Syriens oder im Kampf gegen
dessen Terrormiliz Daesch, bei dem sich die Gemeinschaft bislang auf
die USA gestützt hat. Hinzukommen die Ukraine-Krise und Russlands
Provokationen an Europas Ostgrenze. Die innere Unsicherheit, wie sich
der Ausstiegsprozess Großbritanniens gestalten wird, aber auch, was
passiert, wenn die Türkei den Flüchtlingspakt platzen lässt, hat mehr...
- stern-RTL-Wahltrend: Trump-Erfolg lässt deutsche Wähler kalt - Wirtschaftserwartungen pessimistischer als vor US-Wahl Hamburg (ots) - Der Sieg Donald Trumps bei den
US-Präsidentschaftswahlen hatte auf die Wahlabsichten der Deutschen
so gut wie keinen Einfluss. Lediglich bei der AfD, die Anfang der
vergangenen Woche noch von 11 auf 9 Prozent zurückgefallen war,
wirkte sich Trumps Erfolg etwas aus: Von Mittwoch bis Freitag stieg
der Präferenzwert der Partei wie in der Vorwoche wieder auf 11
Prozent, sodass ihr wöchentlicher Mittelwert im stern-RTL-Wahltrend
nun bei 10 Prozent liegt. Die Union aus CDU und CSU hatte schon
Anfang der Woche um einen mehr...
- BKA-Chef Münch: Über 850 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in diesem Jahr Berlin (ots) - Die Zahl von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte
in Deutschland bleibt auf hohem Niveau.
Das ergibt sich aus den jüngsten Zahlen des Bundeskriminalamtes.
Wie BKA-Chef Holger Münch am Mittwoch im rbb-Inforadio sagte, wurden
in diesem Jahr bisher über 850 Übergriffe auf Asylunterkünfte
gezählt. Im gesamten vergangenen Jahr waren es gut 1.000.
Man sehe, dass sich "eine hohe Zahl von Straftaten gegen
Zuwanderer wendet. Wir beobachten zum Beispiel die Straftaten gegen
Asylunterkünfte, und wir liegen in diesem mehr...
- NOZ: Ströbele kritisiert Karlsruher Urteil zu NSA-Spionagezielen als "Enttäuschung" Osnabrück (ots) - NSA-Spähziele bleiben geheim: Ströbele
kritisiert Karlsruher Urteil als "Enttäuschung"
Mitglied des Kontrollgremiums warnt vor Kontrollverlust des
Parlaments - "Vielleicht gibt es ja einen deutschen Edward Snowden"
Osnabrück. Hans-Christian Ströbele, Grünen-Politiker und
dienstältestes Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des
Bundestages zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr), kritisiert das
Karlsruher Urteil zu den NSA-Spionagezielen als "Enttäuschung".
"Heute ist ein schlechter Tag für die parlamentarische mehr...
- NOZ: CSU wirft Migrationsbeauftragter Özoguz "falsche Toleranz" vor Osnabrück (ots) - CSU wirft Migrationsbeauftragter Özoguz "falsche
Toleranz" vor
Hasselfeldt: SPD-Politikerin hat mit Kritik an Großrazzia gegen
Islamisten jedes Augenmaß verloren
Osnabrück. Die CSU hat sich von Äußerungen der
Migrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD),
distanziert, die sich kritisch zu der Großrazzia gegen Islamisten
geäußert hatte. Özoguz habe offenbar jedes Augenmaß verloren, sagte
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt der "Neuen Osnabrücker
Zeitung" (Mittwoch). Sie warf der SPD-Politikerin mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|