Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar:
Deutschland braucht einen Außenminister
Warten auf Schulz
Martin Fröhlich
Geschrieben am 15-11-2016 |
Bielefeld (ots) - Die Euphorie ist groß: Frank-Walter Steinmeier
wird wohl Bundespräsident. Der Mann, der laut Umfragen das Vertrauen
der Bevölkerung in dieser Sache genießt. Doch jede noch so gute
Entscheidung hat ihre Schattenseite. Das Land gewinnt einen
Bundespräsidenten und verliert einen profilierten Außenminister. Die
Zeit, bis ein Steinmeier-Nachfolger aus dem Hut gezaubert werden
muss, ist kurz. Am 12. Februar wird der Bundespräsident bestimmt.
Erschwerend kommt hinzu: Im September wird ein neuer Bundestag
gewählt. Wer danach mit wem regiert, ist nicht sicher. Auch nicht,
welche Partei den Außenminister stellt. Es könnte also ein
Interimsminister werden. Weil man beim Planen nicht alles offen
lassen kann, bis alle Unwägbarkeiten beseitigt sind, braucht es eine
Grundannahme. Die lautet: Die SPD stellt nach der Bundestagswahl den
Außenminister, weil es aufgrund der Zersplitterung der politischen
Landschaft wieder eine große Koalition mit der Union geben wird.
Falls nicht, wären die Sozialdemokraten den Posten los. Entweder,
weil sie stärkste Partei einer rot-rot-grünen Koalition wären oder in
die Opposition müssten. Wenn die SPD einen Außenminister aufbieten
soll, fällt nur ein Name. Martin Schulz. Er erscheint als logischer
Nachfolger Steinmeiers, würde gemeinsam mit diesem und Angela Merkel
eine europäische Phalanx bilden. Alle drei sind EU-Verfechter. Doch
Schulz hebt bislang nicht die Hand. Warum? Es könnte mit der Hoffnung
auf eine Fortsetzung seiner Brüsseler Karriere verbunden sein.
Angedacht war, dass Schulz 2017 das Amt des EU-Parlamentspräsidenten
ans konservative Lager abgibt. Doch nun argumentieren Europas
Sozialdemokraten, dass auch die Ämter des Kommissionspräsidenten
(Jean-Claude Juncker) und des Ratspräsidenten (Donald Tusk) mit
Konservativen besetzt sind. Da müsste der Parlamentspräsident weiter
aus ihrem Lager kommen. Und hieße Schulz. Auch SPD-Chef Sigmar
Gabriel wird mehr als einmal nachdenken, ehe er sich den populären
Schulz an die Seite holt. Die Rufe nach einer Kanzlerkandidatur des
wortgewandten und mehrsprachigen Rheinländers wären kaum zu
überhören. Schulz auf der Überholspur an Gabriel vorbei? Dieses
Szenario würde Gabriel mit Sicherheit ausschließen wollen, ehe er den
potenziellen Konkurrenten auf den Außenministerschild hebt. Fest
steht: Der Außenminister darf keine Notlösung sein. Zu wichtig ist er
in den Zeiten der Trumps, Erdogans, Putins und Brexits.
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