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Börsen-Zeitung: Hoffentlich nie, Kommentar zum Clearing-Notfallplan der EU von Dietegen Müller

Geschrieben am 28-11-2016

Frankfurt (ots) - Es gibt Regelwerke, von denen man sich wünscht,
dass sie nie eingesetzt werden. Zu diesen zählt die am Montag von
EU-Kommissar Valdis Dombrovskis präsentierte Sanierungs- und
Abwicklungsrichtlinie für Zentrale Kontrahenten (CCP).

In der Finanzmarktregulierung nimmt sie - übrigens umgekehrt
proportional zum öffentlichen Interesse an ihr - eine zentrale
Position ein. Um es in den Worten des interimistischen
Finanzkommissars Dombrovski zu sagen, sie "schließt eine Lücke". Und
was für eine. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
(BIZ) wurden Ende Juni ungefähr 62 Prozent aller ausstehenden
Derivate über eine Zentrale Gegenpartei verrechnet (gecleart), vor
allem Zins-, aber auch Kreditderivate, insgesamt mit fast 340 Bill.
Dollar Nominalvolumen. Sollte eine Zentrale Gegenpartei umfallen,
würde dies tatsächlich die in der Finanzkrise viel beschworene
"Kernschmelze" darstellen.

Dass nun zumindest auf dem Papier ein Rahmen für Krisenmanagement
gesteckt wird, ist ehrenwert. Steuergeld soll so geschont werden für
den Fall, dass ungeachtet aller Vorsorge doch ein Teilnehmer eines
Clearinghauses zu viel in Schwierigkeiten gerät und der Zentrale
Kontrahent in eine Schieflage kippt. Doch die Marktteilnehmer sollten
sich nichts vormachen: Der Notfallplan ist eine Folge des von der
Finanzkrise ausgelösten regulatorischen Sturms. Heute gilt es als
Common Sense, das Clearing von Finanzderivaten verringere die Risiken
im Finanzsystem. Ein Unfall wie jener des US-Versicherungsriesen AIG,
der exzessiv Kreditausfallversicherungen gezeichnet hatte und nach
der Lehman-Pleite vom Staat gestützt werden musste, soll durch das
zentrale Verrechnen solcher Derivate verhindert werden. Bis dato gibt
es weltweit nur wenige Clearinghäuser, die in Schieflage gerieten.

Doch aus gesundem Menschenverstand ist zu bezweifeln, dass
Clearing in der Gesamtbilanz Risiken aus dem Finanzsystem nimmt -
dann würde es sie ja wegzaubern. Das ist unwahrscheinlich.
Vernünftiger ist es, Clearing als eines von verschiedenen
Risikominderungskonzepten zu betrachten.

Der Notfallplan der Kommission offenbart, dass es im Ernstfall
auch im Clearing viele Ermessensspielräume geben wird, und die
Koordination einer Reihe Aufsichtsbehörden die Gefahr von
Reibungsverlusten birgt. Auch kommt die Kommission dem Financial
Stability Board (FSB) zuvor, das 2017 dazu internationale Leitlinien
vorlegen und beraten will. Auch hier gilt das Prinzip Hoffnung, dass
nicht global unterschiedliche Standards verankert werden und
regulatorische Arbitrage weg von Europa einsetzt.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

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