Mittelbayerische Zeitung: Bindungen enger knüpfen / Nach den Anschlägen von Istanbul sinnt Präsident Erdogan auf Vergeltung. Dabei hat er die Konfrontation verschärft.
Geschrieben am 11-12-2016 |
Regensburg (ots) - Die Türkei kommt nicht zur Ruhe. Die jüngsten
entsetzlichen Bombenanschläge von Istanbul reihen sich ein in eine
blutige Serie von Gewalttaten, die das Land erschüttern. Die
anhaltende Gewalt und die folgenden Vergeltungsaktionen der
Sicherheitskräfte der Regierung und eines nach immer mehr Macht
strebenden Staatspräsidenten machen das Land zu einem Pulverfass. Die
Türkei wird mehr und mehr polarisiert und die Gewaltspirale dreht
sich weiter. Mäßigung ist bei keiner der vielen beteiligten Seiten,
Interessengruppen und Ethnien zu erkennen. Bei Recep Tayyip Edogan
schon gleich gar nicht. Seit Juni 2015, als Erdogan die mühsam
erzielte Entspannung im Verhältnis zu den Kurden über Bord warf und
auf die militärische Karte setzte, sind bei 17 Bombenanschlägen
mindestens 372 Menschen ums Leben gekommen und 1837 verletzt worden.
Die Meldungen über Anschläge in der Türkei haben Konjunktur. Es
besteht die Gefahr, dass hinter den nüchternen Zahlen der Opfer
vergessen wird, dass es um menschliche Schicksale geht. Den Getöteten
und Verletzten sowie ihren Angehörigen gilt Mitgefühl. Zugleich
müssen die Täter und ihre Hintermänner ermittelt und bestraft werden.
Dass Ankara wie bei früheren Anschlägen die kurdische Arbeiterpartei
PKK verantwortlich macht, scheint, zumindest bis Beweise vorliegen,
voreilig und politisch motiviert. Gegner haben die türkische
Regierung und Erdogan viele. Nicht nur die PKK mit ihren diversen
Ablegern, sondern auch kurdische Milizen in Syrien und im Irak, sowie
die Bewegung des konservativ-islamischen Predigers Fethullah Gülen,
mit dem Erdogan vor wenigen Jahren noch eng verbunden war. Und
natürlich die islamistischen Terroristen des IS. Ankara kämpft an
mehreren Fronten gleichzeitig - innerhalb und außerhalb des Landes.
In ersten Reaktionen hat die türkische Regierung deutlich gemacht,
wie sie auf die Anschläge reagieren wird: Mit neuer Gewalt. Erdogan
sinnt auf Vergeltung gegen die "Pest des Terrors", wie er erklärte.
Dabei werden ihm viele Landsleute folgen, die Anhänger seiner AKP
sowieso. Erdogan versteht es meisterhaft, Wut und Patriotismus einer
großen Mehrheit der Türken anzustacheln, aber auch für seine
politischen Ziele zu instrumentalisieren. Dabei rückt völlig aus dem
Fokus, dass es Erdogan selbst war, der mit seiner Politik
militärischer Härte gegen Kurden und gegen wirkliche und
vermeintliche Putschisten die Situation extrem verschärft hat. So
bitter es klingt: Gewaltakte wie die von Istanbul verstärken den Ruf
nach einem starken Mann, der mit präsidialer Macht den Staat führt.
Erdogan lässt keinen Zweifel daran, dass nur er dieser Mann sein
kann. Für Europa, das offiziell noch an einer EU-Mitgliedschaft der
Türkei arbeitet, wird die Zusammenarbeit mit Ankara immer
schwieriger. Mit verschärften Sicherheitsgesetzen, mit der Verfolgung
von PKK-Sympathisanten, mit willkürlichen "Säuberungen" nach dem
Juli-Putsch oder dem Streben nach Wiedereinführung der Todesstrafe
hat Erdogan die Kluft zu Europa allerdings selbst vertieft. Trotzdem,
oder gerade deshalb, dürfen die EU-Staaten nun nicht leichtfertig und
enttäuscht die Verbindungen zu Ankara kappen. Miteinander zu
verhandeln und zu handeln, ist das Gebot in dieser schwierigen Zeit.
Vor allem darf der Beitrittsprozess nicht aufgekündigt werden. Und
zwar nicht nur wegen des umstrittenen Flüchtlingsabkommens. Die
Türkei ist auch wirtschaftlich, strategisch und menschlich mit der EU
verflochten. Diese Bindungen zerstört man nicht einfach, sondern sie
müssen enger geknüpft werden. Gerade wenn Anschläge am Bosporus das
Land erschüttern. Die Türkei ist viel mehr als Erdogan.
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