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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Olympia/Gauck: Gerne etwas kleiner von Jürgen Scharf

Geschrieben am 28-12-2016

Regensburg (ots) - Es ist ein ganz persönlicher Wunsch des
deutschen Bundespräsidenten. Er würde sich sehr freuen, sagte Joachim
Gauck im November, wenn es einmal wieder Olympische Spiele in
Deutschland geben würde. Angesichts der Tatsache, dass sich in
Hamburg und München die Mehrheit der Bürger zuletzt gegen Bewerbungen
entschieden, deutet aber wenig darauf hin, dass sich dieser Wunsch
schnell erfüllen wird. Die Einstellung der Menschen in Deutschland -
wie auch in vielen anderen Ländern - gegenüber sportlichen
Großveranstaltungen wird sich nur verändern, wenn sich die
Sportverbände selbst bewegen. Das kommende Jahr wäre dafür eine sehr
gute Gelegenheit. Zu teuer! Die Kosten für die Austragung von Olympia
oder sonstigen internationalen Wettkämpfen sind der größte
Kritikpunkt. Und überhaupt sei die Sportwelt durch Doping und
Korruption verseucht, heißt es. An all den Vorwürfen ist etwas Wahres
dran. Es ist auch eine Mär, dass durch sportliche Großveranstaltungen
die Wirtschaft nachhaltig angekurbelt wird. Auch der
infrastrukturelle Fortschritt, den die Menschen im Alltag spüren,
hält sich in Grenzen. Hier eine neue Autobahnausfahrt, dort eine neue
U-Bahn-Station, das ist gut und schön. Es kann aber zu Recht
gefordert werden, dass man für das viele Geld lieber Kindergärten
baut. Auf ewig den totalen Boykott auszurufen, ist aber der falsche
Weg. Olympia in Deutschland? "Das wäre doch wirklich etwas besonders
Schönes", sagte Bundespräsident Gauck. Das mag banal klingen, ist
aber der entscheidende Punkt. Im Idealfall ist ein Sportereignis gar
nicht in Neubauten oder nackten Zahlen zu messen. Es soll, wie Gauck
es sagt, schlicht "etwas Schönes" sein. Eine Veranstaltung, die über
alle Grenzen hinweg die Menschen verbindet. Ein Erlebnis, das
insbesondere in Zeiten des Terrors das wichtige Zeichen, das die
Weltgemeinschaft noch funktioniert, sendet. Im kommenden Jahr wird es
keines der zwei ganz großen Sportereignisse geben. Olympia und
Fußball-WM pausieren. Umso mehr könnte 2017 dafür genutzt werden, die
Menschen Stück für Stück wieder für das Kulturgut Sport zu
begeistern. Die Voraussetzungen dafür sind ideal. Im Sommer gibt es
die Leichtathletik-WM in London. Dort fanden vor vier Jahren tolle
olympische Sommerspiele statt. Die Bürger der britischen Metropole
werden die Sportler und Touristen aus aller Welt sicher wieder
ähnlich entspannt und offen empfangen. In Deutschland könnte bereits
im Mai eine ähnliche Atmosphäre zu erleben sein. In Köln wird eine
Hälfte der Spiele der Eishockey-Weltmeisterschaft ausgetragen. Und
genau wie in London gibt es hier einen großen Vorteil: Die
Sportstätte ist bereits vorhanden. Es muss nicht, wie so oft, ein
riesiges Stadion, das viel Geld kostet, aus dem Boden gestampft
werden. Dieser Gigantismus wurde auch zu Recht hart kritisiert.
Momentan gibt es zumindest Anzeichen dafür, dass die Sportwelt zur
Besinnung kommt. In Katar, das die Fußball-WM 2022 organisiert, wurde
etwa die Zahl der neu zu bauenden Stadien - durchaus überraschend -
reduziert. Im Idealfall werden sich die internationalen Sportverbände
ganz allgemein vom "Immer größer, immer teurer"-Motto verabschieden.
Es darf ruhig auch einmal etwas kleiner und billiger sein - die
Wettkämpfe sind deswegen genauso schön. Leider ist es aber wieder
einmal der Fußball, der zuletzt ein völlig falsches Zeichen setzte.
Dass die Überlegungen von Fifa-Präsident Gianni Infantino, die
WM-Endrunde von 32 auf 40 Mannschaften auszuweiten, selbst innerhalb
der Fußball-Szene harsch kritisiert werden, spricht für sich. Die
Sportverbände tun gut daran, in Zukunft etwas zurückhaltender zu
planen. Ansonsten werden sie weiter mit demonstrierenden Bürgern, wie
zuletzt bei Olympia in Rio, konfrontiert werden. Bundespräsident
Gauck sagte zu Recht, dass es derzeit vor allem um eines geht:
Bestimmte Sportorganisationen müssen das verlorene Vertrauen der
Menschen zurückgewinnen. Das ist eine schwere Aufgabe - und das
kommende Jahr ist ein guter Zeitpunkt, um damit anzufangen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

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