Mittelbayerische Zeitung: Sicherheit kostet Geld / Mit schärferen Gesetzen allein fängt man keine Islamisten. Dafür braucht man eine schlagkräftige Polizei.
Geschrieben am 09-01-2017 |
Regensburg (ots) - Ausweitung der Abschiebung, elektronische
Fußfessel für Gefährder, Sanktionen für nordafrikanische Staaten, die
abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen: Nach dem Anschlag auf den
Berliner Weihnachtsmarkt überbieten sich die Parteien mit
Vorschlägen, wie der Staat dem Terrorismus beikommen soll. Die innere
Sicherheit wird zu einem Top-Wahlkampfthema. Doch anstatt zu fragen,
wie der Staat das Übel an der Wurzel packen kann, reagieren die
Parteien mit Reflexen, die politische Tatkraft suggerieren sollen.
Abschiebehaft für Gefährder - das hatte bereits die CSU im
vergangenen Jahr nach den Anschlägen in Würzburg und Ansbach
verlangt. Passiert ist bislang jedoch nichts. Nun haben Innenminister
Thomas de Maizière (CDU) und SPD-Justizminister Heiko Maas diese
Forderung wieder hervorgekramt. Sie klingt ja auch vielversprechend.
Kein Bürger kann nachvollziehen, warum ein sogenannter Gefährder,
dessen Asylantrag abgelehnt wurde, nicht sofort in Abschiebehaft
genommen wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihren Minister de
Maizière an die vorderste Anti-Terror-Front beordert hatte, kündigte
gestern bei der Jahrestagung des Beamtenbunds schnelle Konsequenzen
aus dem Berliner Anschlag an. Der Staat dürfe nicht in Ankündigungen
stecken bleiben, sondern müsse Flagge zeigen. Man darf gespannt sein,
in welcher Phase wir uns in neun Monaten - kurz vor der
Bundestagswahl - befinden werden. Dabei müssen die politischen
Akteure leider einkalkulieren, dass bis dahin weitere Anschläge
verübt werden. Die Terroristen zielen nicht nur auf Menschen, sondern
auf Freiheit und Demokratie. Die Islamisten würden es sich mit
größter Genugtuung auf die Fahnen schreiben, falls die Angst
irgendwann über unsere Grundwerte siegt. Und sie würden in
Triumphgeheul ausbrechen, wenn es ihnen gelänge, durch Terror eine
Bundestagswahl zu beeinflussen. Mit schärferen Gesetzen wird man den
Islamisten nicht Herr werden. Das zeigt das Beispiel des Berliner
Attentäters Anis Amri, der die deutschen Behörden mit 14
verschiedenen Identitäten in die Irre führte. Dass er schließlich bei
einer Polizeikontrolle in Mailand erschossen wurde, nachdem er vorher
noch einmal quer durch halb Europa gefahren war, ist ein
Fahndungserfolg von Kommissar Zufall. Der Fall Amri legt eine große
Schwachstelle offen: Die europäische Islamistenszene ist
offensichtlich besser vernetzt, als die Sicherheitsbehörden in der
EU. Außerdem wird deutlich, dass es beim Informationsaustausch
zwischen Länderbehörden und dem Bund gewaltig hakte. Auch das ist
nicht ganz neu. Bereits die unsäglichen Pannen bei der Aufklärung des
rechtsextremistischen NSU-Terrors legten die Schwachstellen bei der
Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden offen. Durch eine Fußfessel
wird sich ein Selbstmordattentäter nicht von seinem Plan abbringen
lassen. Und für eine Abschiebehaft muss die Polizei des Gefährders
erst einmal habhaft werden. Wenn eine Behörde dann die Freilassung
anordnet, weil er keinen Pass hat - wie im Fall Amri - läuft auch
diese Maßnahme ins Leere. Vielleicht erreicht die Bundesregierung
Rücknahmeabkommen mit den Maghreb-Staaten, wo sich schon jetzt
heftiger Widerstand in der Bevölkerung gegen derartige Rückführungen
regt. Dann muss die Politik allerdings auch ehrlich sagen, dass man
das Terrorproblem wieder in die Herkunftsländer der Gefährder
exportiert. Und außerdem: Niemand kann garantieren, dass abgeschobene
Islamisten nicht wieder nach Deutschland zurückkehren. Mit
Gesetzespaketen allein fängt man keine Terroristen. Dafür braucht man
auch eine funktionierende Polizei. In Bayern mussten jedoch bereits
Dienststellen vorübergehend geschlossen werden, weil die Beamten an
die österreichische Grenze abkommandiert wurden - für Kontrollen, die
ein größeres Sicherheitsgefühl vorgaukeln. Wer jedoch schlagkräftige
Terror-Fahnder will, muss vor allem Geld springen lassen - für mehr
Personal.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
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