Börsen-Zeitung: Cryan in Canossa, Kommentar zur Deutschen Bank von Bernd Wittkowski
Geschrieben am 02-02-2017 |
Frankfurt (ots) - John Cryan zeigt Demut und dadurch Größe. Der
Chef der Deutschen Bank drückt sein tiefes Bedauern über die zig
Milliarden Euro an Straf- und Vergleichszahlungen verschlingenden
Verfehlungen der Vergangenheit aus, nennt "das Fehlverhalten
weniger", die aus kurzfristigen Interessen die Reputation als
wertvollstes Gut der Bank aufs Spiel gesetzt hätten, "völlig
inakzeptabel". Und er scheut sich nicht - da wurde es in der
Pressekonferenz mucksmäuschenstill - zu sagen: "Wir möchten uns dafür
entschuldigen."
Das repariert nicht den Schaden, den Aktionäre, Kunden und nicht
zuletzt die, wie wir immer noch glauben wollen, große Mehrzahl der
redlichen Beschäftigten erlitten haben. Auch rehabilitiert es nicht
die damals Verantwortlichen, unter deren zugekniffenen Augen
Geschäftspartner betuppt sowie Recht und Moral gebrochen wurden, oder
gar jene, die aktiv an womöglich kriminellen Manipulationen und
Mauscheleien beteiligt waren. Doch es zeugt davon, dass die heutige
Führung unter Cryan, dem man die Aufrichtigkeit seiner Abbitte
abnehmen kann, ein anderes Verständnis von Regeltreue und Anstand
hat. Sie ist fest entschlossen, die Unkultur, in der solche
Missstände wuchern konnten, ein für allemal auszumerzen und die
Einhaltung der eigenen Standards durch die Bank durchzusetzen.
Die Investoren konnte Cryans Gang nach Canossa noch nicht von den
positiven Perspektiven der Blauen überzeugen. Dabei ist nicht zu
bestreiten, dass die Bank auch über die Beilegung einiger großer
Rechtshändel hinaus erkennbar vorankommt. Risikoabbau und Stärkung
der Finanzkraft sind, obgleich in Teilen nicht dauerhaft, durchaus
beeindruckend. Und das Ergebnis vor Sondereffekten von 4 Mrd. Euro
mag andeuten, was das 1,6-Bill.-Euro-Haus (Bilanzsumme, leider nicht
Börsenwert) in einem stabilen Umfeld zu leisten imstande sein könnte
- freilich "eine rein fiktive Rechnung", wie Finanzchef Marcus
Schenck freundlicherweise einräumt.
Auch wenn sich die Bank heute einem solchen Umfeld viel näher
sieht als vor einem Jahr: Die Erfahrung der vergangenen Dekaden
lehrt, dass es so etwas wie Normalität bei diesem Institut nicht
gibt. Eher ist die vermeintliche Ausnahme die Regel, und das
"Unnormale" steht allzu oft auf der falschen Seite: Rechts- und
Restrukturierungskosten, Wertminderungen et cetera.
"Widerstandsfähig" sei die Bank, sagt Cryan. Das kann man
unterschreiben, zumal eingedenk der Turbulenzen im Herbst. Immerhin,
das ist etwas wert. Aber der Vorstand muss mehr liefern, damit
Investoren und das sonstige Publikum an eine nachhaltige Wende
glauben können.
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