Börsen-Zeitung: Rückschlagsgefahr, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn
Geschrieben am 17-02-2017 |
Frankfurt (ots) - Kartelle haben bekanntlich die aus Sicht ihrer
Mitglieder unangenehme Eigenschaft, nicht besonders gut zu
funktionieren. Wird das Kartell per Absprache der verkauften Menge
gesteuert, finden sich gewöhnlich immer Mitglieder des Kartells, die
die Absprache unterlaufen und heimlich größere Mengen auf den Markt
werfen als versprochen.
Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) ist ein gutes
Beispiel für diese Mechanismen. Bereits über Jahrzehnte hat das
Kartell nicht besonders gut funktioniert, wie sogar Insider wie der
mittlerweile pensionierte ehemalige saudi-arabische Ölminister Ali
al-Naimi einräumen.
Gelegentlich aber schweißt die Not zusammen. Diesmal wird das Ende
November vergangenen Jahres von den Opec-Mitgliedern abgegebene
Versprechen, die Förderung um insgesamt 1,2 Mill. Barrel pro Tag
(bpd) zu reduzieren, zu rund 90% eingehalten, wie die
Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg errechnet haben. Dass
einige wenige Opec-Mitglieder wie der Irak noch etwas
hinterherhinken, fällt (bislang) kaum ins Gewicht, weil das
Schwergewicht Saudi-Arabien sein Versprechen offensichtlich
übererfüllt. Für den Januar hat das Land von Kürzungen von rund
718000 bpd berichtet, rund 310000 bpd mehr als erforderlich.
Allerdings ist nicht klar, wie belastbar diese Zahlen wirklich sind,
was Akteure auf dem Ölmarkt zur Vorsicht veranlasst.
Rally vorerst beendet
Trotz der für Opec-Verhältnisse ungewöhnlich hohen Einhaltung der
Quoten hält sich der Anstieg des Ölpreises in Grenzen. Gegenüber dem
Zwischentief von Mitte November hat sich der Brent-Ölpreis um ca. 25%
erholt. Bei etwa 56 Dollar je Barrel hat die Rally jedoch vorerst ihr
Ende gefunden. Der Ölpreis bewegt sich derzeit in einer engen
Handelsspanne mit einer Bandbreite von rund 5 Dollar je Barrel und
einer Obergrenze knapp über 56 Dollar. Insofern ist das mit der
Produktionskürzung verbundene Kalkül des Kartells nur begrenzt
aufgegangen.
Dafür gibt es mehrere Ursachen. So sind die Lagerbestände an Rohöl
aufgrund der dreijährigen Ölschwemme nach wie vor außergewöhnlich
hoch. Zumindest was die USA betrifft, haben sie seit Jahresanfang
sogar noch deutlich zugenommen. Dafür verantwortlich sind zwar auch
Verschiebungen von Ölmengen innerhalb Nordamerikas hin zu
Lagerkapazitäten, die von der US-Regierung erfasst werden. Darüber
hinaus waren zeitweilig die US-Ölexporte schwächer als erwartet. Ein
weiterer Grund weckt allerdings erhebliche Sorgen: So ist
zwischenzeitlich die amerikanische Nachfrage nach Benzin deutlich
zurückgegangen. Der von der Energy Information Administration (EIA)
der US-Regierung erfasste Vierwochendurchschnitt liegt derzeit um 6%
unter den Wert für die Benzinnachfrage im gleichen Vorjahreszeitraum.
Ein solch ausgeprägter Rückgang tritt eigentlich nur im Rahmen einer
Rezession auf - oder aber in einem Umfeld, in dem der Verbraucher
nicht hinreichend an der Erholung der US-Wirtschaft teilnimmt.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die deutliche Erholung der
amerikanischen Schieferölproduktion, die auch auf die
US-Lagerbestände durchschlägt. Nach den jüngsten EIA-Daten beträgt
die US-Rohölproduktion derzeit knapp 9 Mill. bpd, dies sind ungefähr
400000 bpd mehr als noch vor einigen Monaten. Die EIA erwartet, dass
die Schieferölförderung im März um fast 80000 bpd steigen wird, das
größte Wachstum seit fünf Monaten. Aktuell sind in den USA 591
Ölförderanlagen in Betrieb, wie der Dienstleister Baker Hughes
errechnet hat. Dies sind immerhin 114 mehr als Ende November
vergangenen Jahres, als die Opec ihre Kürzungsbeschlüsse
finalisierte. Es handelt sich zudem um den höchsten Stand seit
Oktober 2015.
Zu berücksichtigen ist auch, dass Saudi-Arabien nicht unbefristet
dazu bereit sein wird, die Hauptlast der Anpassungen innerhalb der
Opec zu tragen, wenn der Irak, aber auch der Iran und Venezuela
weiterhin mehr produzieren, als von ihnen erwartet wird.
Geduldsfaden könnte reißen
Spätestens dann, wenn Saudi-Arabien öffentlich erkennbar der
Geduldsfaden reißt, dürfte die Zeit reif sein für eine Korrektur des
Ölpreises. Davon geht zumindest eine steigende Zahl von Analysten
aus. Kritisch wird es in dieser Hinsicht im Mai, wenn die aktuelle
Übereinkunft der Opec-Mitglieder und weiterer Staaten wie Russland
ausläuft und es darum geht, ob sich eine Nachfolgeregelung
durchsetzen lässt. Bislang gab es in dieser Hinsicht aus
Saudi-Arabien wie auch aus Russland eher skeptische Äußerungen.
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