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Börsen-Zeitung: Angst vor Le Pen, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn

Geschrieben am 10-03-2017

Frankfurt (ots) - Gemessen an den potenziellen Risiken, die von
den anstehenden Wahlen in Europa ausgehen, schlagen sich die
Aktienmärkte der Region recht wacker. So haben der Euro Stoxx 50 und
der Dax seit Jahresbeginn um 3,8% und 4,2% zugelegt. Allerdings
hinken sie nach wie vor der Entwicklung des US-Aktienmarktes
hinterher, dessen Hauptindex S&P500 mit 5,7% im Plus liegt. Gehemmt
werden die europäischen Aktienmärkte von der Angst vor einem Wahlsieg
von Marine Le Pen bei den französischen Präsidentschaftswahlen. Kein
Wunder, dass der Rückstand des französischen Index CAC40 noch ein
Stück größer ist. Er erreichte am Freitag bei 5022 Punkten zwar den
höchsten Stand seit dem August 2015, sein Plus im Vergleich zu Ende
2016 beträgt jedoch lediglich 2,7%.

Daraus könnten sich in den kommenden Wochen Chancen ergeben. Denn
die Wahrscheinlichkeit eines Wahlsiegs von Le Pen scheint gering. Das
wurde zwar auch vom Pro-Brexit-Votum und einem Wahlerfolg von Donald
Trump angenommen. Strategen verweisen jedoch darauf, dass die
Ausgangslage in Frankreich ganz anders aussieht. Le Pen hat in den
Umfragen einen deutlich größeren Rückstand als die Brexit-Befürworter
und Donald Trump. Damit Le Pen Präsidentin werden kann, müssten die
Abweichung des Wahlergebnisses von den Umfragen mehr als dreimal so
hoch ausfallen wie beim Brexit-Referendum, wie Credit Suisse betont.
Die Deutsche Bank schätzt die Wahrscheinlichkeit eines Wahlsiegs der
Front-National-Kandidatin auf weniger als 30%, und UBS zitiert eine
Umfrage, nach der sich Emmanuel Macron in der entscheidenden zweiten
Wahlrunde mit 59% klar vor Le Pen durchsetzen würde.

Wenig Macht

Hinzu kommt, dass Le Pen, wenn sie sich überraschend doch
durchsetzen würde, mit wenig Macht ausgestattet wäre. Denn der Front
National hat keine Parlamentsmehrheit. Credit Suisse zufolge wird die
Partei bei den Parlamentswahlen nur rund 10% der Sitze gewinnen, im
Senat noch weniger. Das hat gravierende Folgen. So müsste sie sich
mit einem von einer Mehrheit getragenen Premierminister einer anderen
Partei abfinden, und dieser kann nur durch das Parlament entlassen
werden. Auch kann kein Gesetz ohne Zustimmung des Parlaments und/oder
des Premierministers erlassen werden. Deren Gesetzesentwürfe wiederum
muss der Präsident nach spätestens 15 Tage unterzeichnen. Mehrfache
Versuche, Gesetzesentwürfe zu blockieren, können ein
Amtsenthebungsverfahren zur Folge haben. Auch die Chancen, ein
Referendum über den EU-Verbleib durchzusetzen, sind gering, abgesehen
davon, dass es in der französischen Bevölkerung keine Mehrheit für
den Austritt gibt.

Doch was folgt daraus für die Finanzmärkte und die Investoren?
Anders als in Bezug auf den Wahlausgang gehen die Meinungen hier
auseinander. Credit Suisse hat kürzlich die Gewichtung europäischer
Banken erhöht, da sie davon ausgeht, dass das politische Risiko zu
steigenden Bundesanleiherenditen führen wird. Vor allem französische
Banken sind ihrer Einschätzung nach billig. Zudem würden auch
Lebensversicherer der Bank zufolge von einer steileren Zinskurve
profitieren. Daneben hat das Institut den französischen Aktienmarkt
von neutral auf leichte Übergewichtung hochgestuft. Der Euro Stoxx50
(aktuell bei 3416) wird der Bank zufolge ein Gewinner einer
Niederlage Le Pens sein; als Ziel für die Jahresmitte werden 3500
Punkte genannt.

Skeptisch ist dagegen die Deutsche Bank. Mit einem gleitenden
Zwölfmonats-KGV von 15 habe die Zunahme der politischen Sorgen im
zurückliegenden Monat nicht zu einem signifikanten Bewertungsabschlag
geführt. Das Institut glaubt, das eine Niederlage Le Pens zu einer
Aufwertung des Euro und steigenden Realzinsen führen könnte. Beides
wäre für Aktien negativ. Zudem sei die robuste ökonomische
Wachstumsdynamik, die sich wahrscheinlich nicht auf dem aktuellen
Niveau halten werde, bereits eingepreist. Dies und weitere Gründe
bedeuten nach Meinung der Deutschen Bank, dass das Aufwärtspotenzial
überschaubar ist.

Im Unterschied zum Abwärtspotenzial im Fall eines
Le-Pen-Wahlsiegs. Hierin besteht unter den Strategen wieder
Einigkeit. Die Deutsche Bank glaubt, dass die europäischen
Aktienmärkte um 15% sinken würden. Die Verluste würden sich auf 20%
bzw. 25% erhöhen, wenn es Le Pen gelänge, ein Referendum abzuhalten
bzw. wenn diesem auch noch eine Mehrheit zustimmt. Credit Suisse geht
von Einbußen von rund 25% aus, sollte Le Pen gewinnen und ihre Agenda
vollständig umsetzen können.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

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