Heilbronner Stimme: Zwei Jahre nach Germanwings-Katastrophe - Eltern eines Opfers sagen: "Eine solche Tragödie kann jederzeit wieder passieren."
Geschrieben am 14-03-2017 |
Heilbronn (ots) - Fast zwei Jahre nach der Germanwings-Katastrophe
in den französischen Alpen üben Hinterbliebene Kritik an der
juristischen Aufarbeitung. Annette Bleß aus Haltern, Mutter der bei
dem Absturz getöteten Elena (15), sagte der "Heilbronner Stimme"
(Dienstagausgabe): "Was die juristische Aufarbeitung des - so muss
man es wohl sagen - größten Massenmordes der deutschen
Nachkriegsgeschichte - in Deutschland betrifft, sind wir erstaunt
darüber, dass diese einem einfachen Staatsanwalt übertragen wurde,
der zudem wohl in einigen Fällen auf die Prüfung eventuellen
Belastungsmaterials, das die Ärzte, die Fluggesellschaft und andere
Dritte betrifft, verzichtet hat." Bleß fügte hinzu: "Es gab ja
viele, die Bescheid wussten über den Gesundheitszustand des
Copiloten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass keiner schuld gewesen
sein soll außer dem Copiloten. Da hätten wir uns wesentlich
gründlichere Arbeit erhofft. Denn das heißt doch auch, dass das im
Grunde jederzeit wieder passieren kann."
Annette Bleß und ihr Mann sind der Öffentlichkeit bekannt
geworden, nachdem sie wenige Wochen nach der Katastrophe im Andenken
an ihre Tochter die Elena-Bleß-Stiftung gegründet hatten. Die
Stiftung fördert den internationalen Jugendaustausch und ermöglicht
es Schülern, praktische Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Dazu
sagte Annette Bleß der Zeitung: "Wir wollten, dass Elena nicht nur in
unserer Erinnerung weiterlebt. Als wir noch im März 2015 von der
Zahlung einer sogenannten Soforthilfe durch die Lufthansa erfuhren,
wollten wir diese auf gar keinen Fall für uns haben und entwickelten
die Idee, die Träume von Elena in einer Stiftung weiterzuführen und
das Geld zum Wohle Anderer zu verwenden. Da wir lange auf die
Überführung warten mussten, hatten wir Zeit für die Gründung der
Stiftung."
Die Betreuung durch die Lufthansa müsse man im übrigen "getrennt
von der Frage eines angemessenen Schmerzensgeldes bewerten", sagte
Bleß. "Die Lufthansa hat sich - was die Möglichkeit des Besuches der
Unfallstelle und die Unterstützung der Angehörigen im Gedenken an die
Opfer, insbesondere in Le Vernet, betrifft - jederzeit sehr gut und
angemessen verhalten", ergänzte sie.
Zur Frage, ob es überhaupt so etwas wie ein angemessenes
Schmerzensgeld geben könne, sagte Elenas Mutter: "Das ist ganz schwer
zu beurteilen. Wir haben hier in Haltern zum Beispiel Eltern, die ihr
einziges Kind verloren haben, die einen großen Teil ihrer Zeit, ihrer
Kraft und ihrer Mittel investiert haben in die Entwicklung ihres
Kindes. Die wissen, dass Sie ab jetzt und im Alter ganz allein
dastehen und zum Beispiel nie Enkelkinder haben werden. Auf der
anderen Seite trauern in großen Familien viele Angehörige. Diesen
Schmerz in irgendeiner Form zu bewerten - das geht gar nicht.
Wahrscheinlich muss man sich alle einzeln anschauen. Ob das
juristisch möglich ist, weiß ich nicht. Aber moralisch betrachtet,
müsste man es so machen."
Bisher hat die Elena-Bleß-Stiftung fünf inländische und
ausländische Schülergruppen bei ihren Austauschen unterstützt.
Darüber hinaus haben 13 Schülerinnen und Schüler Stipendien für
Auslandsberufspraktika erhalten und neun Schülerinnen und Schüler für
die individuelle Teilnahme an einem Austauschprogramm ihrer Schule.
Die Stiftung erfahre viel Zuspruch und erhalte Spenden, betonte
Annette Bleß. Sie sagte im Interview: "Die Stiftung ermöglicht es
uns, dem unbeschreiblich Schrecklichen etwas Positives
entgegenzusetzen. Das hilft nicht über den Verlust unserer Tochter
hinweg. Aber es ist für uns und ein wenig vielleicht auch für andere
ein Zeichen, dass das Schlechte in der Welt nicht das letzte Wort
hat."
Einen Tag nach dem Germanwings-Unglück wäre Elena 16 Jahre alt
geworden. Sie war mit 15 Mitschülern und zwei Lehrerinnen auf dem
Rückweg von einem Schüleraustausch bei Barcelona.
Die Tragödie ereignete sich am 24. März 2015. Der Copilot hatte
nach Erkenntnissen der Ermittler den Piloten ausgesperrt und dann
Germanwings-Flug 4U9525 in den Alpen bei Le Vernet abstürzen lassen.
Pressekontakt:
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Chefredaktion
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