Mittelbayerische Zeitung: Wiens junger Superstar / ÖVP-Chef Sebastian Kurz könnte der Alpenrepublik den Neuanfang bescheren, den sie so dringend braucht. Leitartikel von Adelheid Wölfl
Geschrieben am 15-05-2017 |
Regensburg (ots) - Im anlaufenden Wahlkampf in Österreich ist der
sonst niemals mundfaule Chef der FPÖ sichtlich nervös. Heinz
Christian Strache sieht neben den beiden dynamischen Platzhirschen
Christian Kern (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) alt aus. Kurz könnte
vor allem bei den jungen Strache-Wählern punkten. Das weiß Strache
auch und hat sich bereits voll auf Kurz eingeschossen. Strache kann
hingegen auf das Chaos in der Koalition und die Unfähigkeit von SPÖ
und ÖVP verweisen, eine normale Form der Kooperation zu finden. Das
dürfte der den Blauen nutzen. Die Österreicher haben schließlich
jahrelang dabei zusehen müssen, wie sehr sich die Roten und Schwarzen
bekriegten und dabei wenig Arbeit geleistet wurde. Die Freiheitlichen
beginnen bereits, Strache mit den Worten: "Auf ihn können die
Österreicher immer zählen" zu plakatieren. Doch auch Kern hat gute
Umfrageergebnisse und gilt noch immer als Erneuerer und innovativ. Er
ist in seiner Intelligenz und seinem Auftreten Kurz gewachsen.
Entscheidend ist jedoch, wer bei der Wahl zulegen kann und an erster
Stelle sein wird. Laut von Ende April liegt die FPÖ mit 32 Prozent
Zustimmung vorn, sie legte jüngst sogar zu. Die SPÖ kommt auf 28
Prozent. Die ÖVP auf 23 Prozent. Es kann damit gerechnet werden, dass
Kurz weitere fünf Prozent Zustimmung bringen wird. Die Grünen stehen
bei nur neun Prozent, die liberalen Neos bei sechs Prozent. Geht es
allerdings darum, wen sich die Österreicher als Kanzler wünschen, so
wird Kurz (50 Prozent) dem Amtsinhaber Kern (37 Prozent) vorgezogen.
Nach dem jahrelangen Hick-Hack und dem unrühmlichen Ende der
SPÖ-ÖVP-Koalition scheint es mehr als wahrscheinlich, dass die FPÖ in
der nächsten Regierung sitzen wird, vor allem auch weil die Grünen
gar nicht stark genug sein könnten, um die Königsmacher zu spielen.
Beiden Parteien - sowohl der SPÖ unter Kern, als auch der ÖVP unter
Kurz - ist eine Kooperation mit den Rechtspopulisten zuzutrauen. Im
Burgenland gibt es bereits eine rot-blaue Koalition. Werden die
Blauen tatsächlich die Wahlen gewinnen - so wie dies die Umfragen
voraussagen - könnte Strache den Anspruch stellen, Kanzler zu werden.
Andererseits wird er dafür, weder Kurz noch Kern gewinnen können. Die
beiden werden nur einer Koalition zustimmen, wenn sie die erste Geige
spielen können. Und die wenigsten Österreicher trauen laut Umfragen
Strache das Kanzleramt zu. Offensichtlich ist auch, dass der
Wahlkampf sich erstmals nicht mehr so stark um die Blauen und ihr
Ewig-Thema "Ausländer" drehen wird. Denn zurzeit zumindest ziehen
Kurz und Kern alle Aufmerksamkeit auf sich. Vor allem die Revolution
bei den Konservativen beschäftigt das Land. Denn die "alte Tante" ÖVP
hat gravierende Veränderungen vor sich. Der 30-jährige Kurz will die
ÖVP vor allem für junge Menschen öffnen und es ist damit zu rechnen,
dass er damit erfolgreich sein wird. Seine Popularität ist enorm - 50
Prozent der Österreicher würden ihn Umfragen zufolge in einer
Direktwahl als Kanzler haben wollen. Kritik gibt es allerdings daran,
dass zu viel innerparteiliche Macht in seinen Händen liegen könnte.
Gefährlich wird Kurz selbst hingegen für die liberalen Neos, die etwa
das gleiche Publikum ansprechen wie der Neo-ÖVP-Chef:
wirtschaftsfreundliche, urbane Bürgerliche. In den vergangenen Tagen
hat das Team um Kurz alle Abgeordneten der Neos mittels
Telefonanrufen für eine Zusammenarbeit gewinnen wollen. Doch
Neos-Chef Matthias Strolz hat abgewunken. Die Neos könnten allerdings
bei den kommenden Wahlen von der Kurz-Bewegung "aufgeschnupft"
werden, wie man in Österreich so schön brutal sagt.
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