Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zu Martin Schulz und dem SPD-Wahlprogramm:
Geschrieben am 22-05-2017 |
Regensburg (ots) - Erst hatten sie kein Glück, dann kaum auch noch
Pech dazu. Martin Schulz, der einmal Fußballprofi werden wollte,
kennt dieses Bonmot aus der Kickerwelt. Eine Niederlage soll
irgendwie erklärt werden. Doch bei der SPD ist das anders. Der
Kanzlerkandidat, mit dessen Nominierung Ende Januar die SPD-Spitze,
genauer der damalige Spitzengenosse Sigmar Gabriel, Freund und Feind
überraschte, führte die tief verunsicherte Partei zu ungeahnten
Höhen. In den kurzlebigen Umfragen. Drei in Folge verlorene
Landtagswahlen später ist von Zauber und Glanz des Neuanfangs nichts
mehr zu spüren. Der Lack ist ab. Viele Wähler geben nicht mehr viel
auf das platte Versprechen von mehr Gerechtigkeit, mit dem der Mann
aus Würselen durch das Land zieht. Die SPD liegt gegenüber der Union
null zu drei zurück. Eine fatale Ausgangsposition für die
Bundestagswahl am 24. September. Das hatten sich die Strategen im
Willy-Brandt-Haus völlig anders vorgestellt. Der Schulz-Zug fährt
nicht mit Volldampf voraus, sondern wurde von der Union doch glatt
auf das Abstellgleis bugsiert. Und das auch noch ohne dass die
Merkel, Seehofer und Co. dafür Bäume ausreißen mussten. Nein, sie
mussten nur abwarten, bis der vermeintliche Überflieger wieder auf
dem Boden der politischen Realität landen würde. Das geschah
schneller, als man selbst in den Unionsspitzen glaubte. Im Grunde hat
Martin Schulz jetzt nur noch die Chance, mit einem zündenden
Wahlprogramm die Stimmung wieder zugunsten der SPD zu drehen. Doch
danach sieht es derzeit auch nicht aus. Irgendwie scheint es, die
Sozialdemokraten führen im Schlafwagen in den Wahlkampf. Seit Tagen
kursiert zwar der Entwurf eines Wahlprogramms, sitzen zig
Arbeitsgruppen zusammen, werden diverse Eckpunkte verkündet, in denen
viel Richtiges und Gutes steht. Doch ein konkretes Regierungsprogramm
für den Fall der Fälle bleibt die Sozialdemokratie weiterhin
schuldig. Und dass die SPD immer noch keine Festlegungen zur
wichtigen Renten- und zur Steuerpolitik getroffen hat, grenzt bereits
an Arbeitsverweigerung. Die Chance jedenfalls, die Union mit einem
pointierten Wahlprogramm unter Zugzwang zu setzen, verspielt die
Partei gerade. Wie Schulz wieder in Vorhand kommen will, bleibt ein
Rätsel. Droht ihm das Schicksal seiner beiden glücklosen Vorgänger
als Kanzlerkandidaten, Frank Walter Steinmeier und Peer Steinbrück?
Beide traten eigentlich nur an, um gegen Merkel ehrenvoll zu
verlieren. Zumindest in der inneren Sicherheit, soviel ist den
derzeitigen Papieren zu entnehmen, will sich die SPD nicht von der
Union die Butter vom Brot nehmen lassen. Manche Passage, etwa zur
Verschärfung des Ausländerrechts, liest sich wie von einem
Unionspapier abgeschrieben. Das reicht vom stärkeren Schutz der
Außengrenzen des Schengen-Raumes bis zur strikten Abschiebung von
Straftätern. Die SPD-Vorschläge zur Familienpolitik - von der
Abschaffung der Kita-Gebühren bis zu Familienarbeitszeit und
Familiengeld - könnten durchaus einen Beitrag dazu leisten, dass
Familie und Beruf besser vereinbart werden können. Leider sagt die
SPD nicht, was diese, an sich sinnvollen Maßnahmen kosten werden und
woher das Geld dafür kommen soll. Die Partei von Martin Schulz hat es
bislang nicht vermocht, seine hehre Forderung nach "mehr
Gerechtigkeit" im Einzelnen durch zu buchstabieren. Viel Zeit bleibt
den Sozialdemokraten dafür nicht mehr.
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