Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zum Machtkampf bei der Grammer AG:
Geschrieben am 25-05-2017 |
Regensburg (ots) - Noch so ein Sieg, und wir sind verloren - was
König Pyrrhos nach seinem verlustreichen Sieg über die Römer in einer
Schlacht so weitblickend erkannte, das könnte in gewisser Weise auch
auf Grammer zutreffen. Vorstand, Aufsichtsrat, Mitarbeiter,
Gewerkschaft - das ganze Umfeld hat zusammengestanden, um die Attacke
des ungeliebten Anteilseigners abzuwehren. Die bosnisch-deutsche
Familie Hastor wollte mittels ihrer Investmentgesellschaften Cascade
und Halog die Kontrolle über Grammer gewinnen. Sie ist bei der
denkwürdigen Hauptversammlung gescheitert. Die Grammer-Führung hat
diese Schlacht - der kriegerische Ausdruck ist hier leider
gerechtfertigt - gewonnen. Aber die entstandenen Verluste sind hoch,
und der Blick in die Zukunft gerät alles andere als unbeschwert.
Grammer-Chef Hartmut Müller freute sich unmittelbar nach Ende der
Aktionärsversammlung über die "tolle Gemeinschaftsleistung" im
Abwehrkampf. Die Auseinandersetzung habe das Unternehmen
zusammengeschweißt. Nun stünden Aufsichtsrat und Vorstand gerne
bereit für weitere Gespräche mit den Hastors. Er, Müller, hoffe, dass
das jetzt in einer etwas entspannteren Atmosphäre geschehen werde.
Diese Hoffnung dürfte wohl allenfalls darauf gründen, dass die
Atmosphäre kaum noch schlechter werden kann als sie gegenwärtig ist.
Daran haben durchaus beide Seiten ihren Anteil. Die Grammer-Führung
wirkte nicht in jedem Punkt souverän. So argumentierte sie schwammig,
als es um die Beteiligung des chinesischen Investors Ningbo Jifeng an
Grammer ging. Sie konnten den Eindruck nicht wirklich zerstreuen,
dass, wie die Hastors vermuten, ein "Weißer Ritter" aus dem Hut
gezaubert wurde, allein um ihren Aktienanteil zu drücken. Grammer
will mit dem Investor Hastor und seinen Gesellschaften
Prevent/Cascade/Halog so wenig wie möglich zu tun haben. Warum, das
bekamen die Teilnehmer der Hauptversammlung überdeutlich zu spüren.
Der Cascade-Vertreter, Anwalt Franz Enderle, trat weniger auf wie der
Interessenvertreter eines Investors, der das Wohl und den Wert des
Unternehmens Grammer mehren will. In keiner Weise. Stattdessen ließ
er die Ziele seines Klienten offen, argumentierte mit sehr eigenen
Wahrheiten und war sichtlich darauf aus, die Unternehmensführung in
juristisch angreifbare Fehler zu treiben. Die Hauptversammlung geriet
in Phasen zu einem Theaterstück mit - manchmal nur vordergründig -
klar verteilten Rollen. Enderle spielte den hinterhältigen
Unsympathen, und er machte zu keiner Zeit den Eindruck, dass er das
ungern tut. Das Tohuwabohu hat jedenfalls längst Schaden angerichtet.
Der Abwehrkampf kostet Energie und lähmt das Unternehmen ein Stück
weit. Aufträge sind verloren gegangen, die Kunden - Autohersteller
wie BMW und Volkswagen - verunsichert. Für sie stellt sich die Frage,
ob sie sich weiterhin langfristig mit Aufträgen an die Amberger
binden sollen. Denn es bleibt offen, wie viel Einfluss die Hastors
noch gewinnen können. Sie haben mit ihrer Autozulieferergruppe
Prevent mehrfach im Streitfall die Lieferungen eingestellt und so die
Bänder bei Autobauern stillstehen lassen. Manche in der Branche haben
deshalb den Hastors zumindest heimlich applaudiert: endlich ein
Mutiger, der sich dem Diktat und der Preisdrückerei der
Autohersteller widersetzt. Einer, der die Zulieferer auf Augenhöhe
hievt. Aber wer sich die Vorgänge bei Grammer ansieht, dem muss klar
sein: Zu solchen Helden taugen die Hastors und ihre Akteure nicht.
Ihre Motive bleiben dunkel. Für Grammer ist das schlecht. Denn es
gibt kein Mittel, um sie loszuwerden. Höchstens eine derart stabile
Aktionärsstruktur, dass jegliche Attacke von vornherein
ausgeschlossen ist. Aber davon ist Grammer weit entfernt.
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