Börsen-Zeitung: Niedrige Renditen voraus, Marktkommentar von Kai Johannsen
Geschrieben am 02-06-2017 |
Frankfurt (ots) - In der neuen Handelswoche steht die nächste
turnusmäßige Ratssitzung bei der Europäischen Zentralbank (EZB) auf
dem Programm. Die Marktteilnehmer warten mit Spannung darauf, rechnen
viele Analysten doch damit, dass sie nun womöglich die ersten Signale
vernehmen könnten, ab wann man sich denn auf den beginnenden Ausstieg
aus der ultralockeren Geldpolitik - dem Quantitative Easing (QE) -
einstellen kann. Gemeint ist damit das allmähliche Herunterfahren der
Anleihekäufe, die die Renditen am europäischen Rentenmarkt niedrig
halten, entweder direkt aufgrund der Käufe der EZB oder indirekt
aufgrund des Verdrängungsprozesses der Investoren in andere
Marktsegmente, wodurch als Folge auch in diesen Bondsegmenten die
Renditen unter Druck stehen.
Geringe Inflation
Natürlich ist es möglich, dass EZB-Präsident Mario Draghi mit
solchen konkreten Hinweisen aufwarten wird, wahrscheinlicher ist
aber, dass die EZB Vorsicht walten lässt und manche Worte ihres
Präsidenten an den Märkten anschließend - wieder einmal -
überinterpretiert werden mit entsprechend kurzlebigen
Anpassungsreaktionen an den Märkten, die schon in den Folgetagen
wieder egalisiert werden. Die EZB hat allen Grund, vorsichtig zu
sein. Da stehen zum einen noch wichtige Wahlen in der Eurozone auf
der Agenda in diesem Jahr, in Deutschland und womöglich ja auch in
Italien. Die Europäische Zentralbank wird mit einer Änderung ihrer
Politik oder auch nur mit einer entsprechenden Kommunikation über
eine mögliche Änderung der Geldpolitik wohl kaum dafür sorgen wollen,
dass sie mit Marktturbulenzen, d.h. nach oben schießenden
Anleiherenditen, die Wahlen beeinflusst, weil Länder wieder
Schwierigkeiten über die höheren Marktzinssätze bekommen. Zum anderen
spielt die jüngste Inflationsentwicklung in der Eurozone den
europäischen Währungshütern nicht unbedingt in die Hände. Mit einer
Mai-Inflationsrate von 1,4% gegenüber dem Vorjahresmonat lag die
Teuerung deutlich unter April (1,9%) und auch noch unter den
Erwartungen der Marktteilnehmer (im Schnitt: 1,5%). Und sie könnte in
den kommenden Monaten niedrig bleiben und womöglich noch weiter
fallen. Im Blick wird die EZB dabei sicherlich die Ölpreisentwicklung
haben. Zwar haben sich die Ölförderländer rund um die Opec darauf
geeinigt, die Drosselung der Förderung beizubehalten, d.h. um neun
Monate zu verlängern, aber die rechte Wirkung an den Ölmärkten will
nicht aufkommen. Der Ölpreis neigt zur Schwäche; ein Fass Brent-Öl
kostet schon wieder weniger als 50 Dollar. Das könnte den gewünschten
Inflationsschub wieder zunichtemachen und damit auch das Ende von QE
weiter in die Zukunft verschieben.
Aber selbst wenn der Ölpreis in Richtung von 60 Dollar gehen
sollte, selbst wenn die Wahlen ohne Rechtsruck über die Bühne gehen
und selbst wenn die EZB irgendwann die Rhetorik ändert und die ersten
Renditeschübe nach oben als Reaktion darauf erfolgt sind, sollte man
sich darauf einstellen, dass die Rentenmärkte mitnichten zur alten
Welt - also dem Vorkrisenmodus mit deutlich höheren Anleiherenditen -
zurückkehren.
Das QE wird bekanntermaßen nicht über Nacht eingestellt und alle
Anleihen aus dem billionenschweren EZB-Portfolio dann tags darauf
verkauft. Das ist klar. Es wird auf eine allmähliche Rückführung
hinauslaufen, also zunächst Drosselung der Käufe, bis sie irgendwann
bei null sind. Das zeigt dann aber immer noch Markteinfluss. Zu
bedenken ist in diesem Zusammenhang aber auch, was die EZB schon auf
dem Buch hat. Da sie diese Anleihen nicht verkaufen wird, erhält sie
- wenn auch prozentual niedrige - immer noch Zinszahlungen, die sie
anlegt. Bei einem billionenschweren Portfolio ist das nicht zu
vernachlässigen. Auch diese Wiederanlage von Zins und Zinseszins
zeigt Wirkung an den Märkten, d.h. das deckelt den Renditeauftrieb.
Und da die EZB auch langlaufende Bonds im Bestand hat und die
durchschnittliche Laufzeit des Portfolios am Ende der Käufe
vielleicht im Bereich von sechs bis zehn Jahren liegt, lässt sich
leicht ausmalen, wie lange die Effekte der Käufe bzw. Zinsanlage die
Märkte noch beeinflussen werden.
Und ein nicht zu unterschätzender Faktor wird von vielen Experten
immer gern ausgeblendet. Das ist die Reaktion des Marktes, d.h. der
Anleger, auf höhere Renditen. Man darf nicht vergessen, dass
Versicherer, Pensionsfonds, Fonds/Assetmanager nun schon seit Jahren
mit niedrigen und immer weiter fallenenden Renditen leben. Sollte es
wirklich mal Auftrieb geben, werden sie begierig zugreifen. Allein
diese Käufe bremsen den Renditeauftrieb dann schon wieder ab bzw.
können ihm den Garaus machen. Höhere Renditen sind also nicht in
Sicht.
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Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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