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Heilbronner Stimme: Wolfgang Thierse: Wir brauchen mehr "Alte" in der Politik

Geschrieben am 02-12-2017

Heilbronn (ots) - Der SPD-Politiker und ehemalige
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sieht Rufe nach einer
Verjüngungskur in der Politik mit Skepsis. Thierse sagte im Interview
mit der "Heilbronner Stimme" (Samstag): "Der Ruf nach mehr
Jugendlichkeit ist modisch geworden. Wir brauchen kompetentes,
handlungsstarkes und überzeugungsstarkes Personal. Wenn es dafür
junge Leute gibt, warum nicht? Aber Jugend alleine ist noch kein
Verdienst, der Jüngere muss nicht auch der Bessere sein." Thierse
fügte hinzu: "Wer in der Politik Verantwortung übernimmt, sollte über
ein beträchtliches Quantum beruflicher und sozialer Erfahrung
vorweisen können. Es gibt auch einen falschen Jugendkult, weil der
Altersschnitt der Bevölkerung eher wächst. Schauen Sie ins Parlament:
die Generation der über 65-Jährigen ist dort unterrepräsentiert. Wir
brauchen mehr "Alte" in der Politik."

Thierse forderte zudem von der künftigen Bundesregierung eine
"europafreundliche Offensive" und lobte die Bewegung Pulse of Europe.
Thierse: "Es ist wirklich schön und sehr sympathisch, dass es
Menschen gibt, die begriffen haben, dass Europa die eigene Zukunft
bedeutet. In dieser Bewegung engagieren sich viele junge Leute, das
macht mir Hoffnung. Denn der Brexit kam, weil allzu viele junge
Menschen sich eben nicht an der Entscheidung beteiligt hatten. Wir
brauchen nun in Deutschland eine Regierung, die eine
europafreundliche Offensive startet - gemeinsam mit Frankreich." Er
betonte: "Der Ruf nach der Rückkehr zu nationalen Grenzen besorgt
mich sehr. Unser Wohlstand hängt von offenen Grenzen ab. Auch unser
Frieden. Das ist der Grundgedanke der europäischen Idee, dass die
Völker des Kontinents in Frieden und Freiheit leben."

Die Hoffnungen auf eine Kenia-Koalition hat Thierse noch nicht
aufgegeben: "Dass wir wieder über eine Neuauflage der großen
Koalition reden müssen liegt nicht an der SPD. Es hat einzig und
allein mit dem Scheitern von Jamaika zu tun. Dafür tragen wohl vor
allem Herr Lindner und die FDP die Verantwortung. Nun sollten wir
über Inhalte sprechen. Kenia wäre eine Chance für die Grünen. Um es
drastisch zu sagen: In der Opposition werden die Grünen brutalste
Ohnmachtserfahrungen machen, denn dort sind sie die kleinste der
Parteien. Und auch in einer Minderheitsregierung würden sie weniger
durchsetzen können als in einer echten Kenia-Koalition." Seine
Schlussfolgerung: "In der Opposition jedenfalls werden sie immer das
letzte Rad am Wagen sein. Sie haben doch mit Eifer betont, wie sehr
sie regieren wollen. Und nun schlagen sie einfach aus. Es geht für
die Grünen nicht darum, Steigbügelhalter für die SPD zu sein, sondern
darum, die eigenen Projekte durchsetzen zu können."



Pressekontakt:
Heilbronner Stimme
Chefredaktion
Telefon: +49 (07131) 615-794
politik@stimme.de

Original-Content von: Heilbronner Stimme, übermittelt durch news aktuell


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