Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Wartezeit für Politiker vor einem Wechsel in die Wirtschaft. Autor: Bernhard Fleischmann
Geschrieben am 11-12-2017 |
Regensburg (ots) - Abkühlen lassen ist immer gut, wenn man sich
nicht Mund oder Hände verbrennen will. Aus gutem Grund gibt es auch
eine Abkühlphase für Politiker, die in die Wirtschaft wechseln. Diese
Karenzzeit soll verhindern, dass Unternehmen und Politiker
unangemessen voneinander profitieren. Das funktioniert aber
keineswegs überzeugend. Das entsprechende Gesetz lässt zu viel
Spielraum. Die Wechsel der abgewählten Ministerpräsidenten Torsten
Albig und Hannelore Kraft geschehen nach einer zu kurzen Abkühlphase.
Sie sind sozusagen noch zu heiß. Es stellt sich stets die Frage: Ist
das Insiderwissen noch zu frisch, um nicht für das Unternehmens
nützlich zu sein? Oder/und waren die Kontakte zum Unternehmen schon
während des politischen Mandats so intensiv, dass in der Amtszeit ein
Einfluss wirksam wurde? Hannelore Kraft zieht in den Aufsichtsrat des
Steinkohlekonzerns RAG ein. Das passt insofern zusammen, als die SPD
dem Bergbau mit seiner Arbeiterschaft immer nahe stand. Dass
Kohleabbau und ihre Verstromung in einer modernen und ökologisch
tragbaren Energiepolitik nichts verloren haben, gilt den Genossen
vielfach als nachrangig. Inzwischen ist RAG dennoch so weit, die
letzten beiden Bergwerke im Ruhrgebiet zu schließen. Das liegt aber
nicht daran, dass die Ex-Ministerpräsidentin darauf hingewirkt hätte.
Wandel galt ihr stets als Verunsicherung der Wähler, weshalb diese
sie unter dem Eindruck des Stillstands in NRW im Mai mit Schwung und
Recht in den politischen Ruhestand geschickt haben. Was qualifiziert
Kraft eigentlich zur RAG-Aufsichtsrätin? Wird sie für die RAG
wertvoll sein? Mitunter scheint es so, dass sich Unternehmen dazu
genötigt sehen, zur politischen Entsorgung anstehende Personen
aufzunehmen. Da steht die Erwartung im Raum, man werde dafür
irgendwann bei passender Gelegenheit von den Regierenden belohnt. In
Bayern fiel Beobachtern bei manchen Wechseln beim besten Willen keine
andere Erklärung ein. Aber es gibt auch andere Kaliber. Wie Matthias
Wissmann. Der ehemalige Bundesverkehrsminister führt seit zehn Jahren
den Verband der Deutschen Automobilindustrie. Zwar stieß die Branche
schon immer in jeder Regierung auf offene Ohren. Aber seit Wissmann
den VDA lenkt, hat man den Eindruck, wo er ist, ist immer ein Weg;
oder eher eine achtspurige Autobahn für die Interessen der Autobauer.
Als Wissmann sagte, gerade für die deutschen Autofabrikanten wäre es
anstrengend, härtere Schadstoffgrenzen einzuhalten - zack, legte
Kanzlerin Angela Merkel wie selbstverständlich ein Blockade-Veto in
Brüssel gegen entsprechende Gesetzesvorhaben ein. Ob Daniel Bahr vom
Gesundheitsminister zur Allianz Private Krankenversicherung, Dirk
Niebel vom Entwicklungsministerium zu Rheinmetall, Ronald Pofalla vom
Kanzleramt zur Bahn, Werner Müller zu Ruhrkohle/Evonik, Friedrich
Fahrenschon vom Finanzminister zum Sparkassenverband - es gibt so
viele Beispiele, die sich nach allen gefühlten Regeln des Anstands
verbieten. Da mag es immer zuverlässig eine öffentliche Empörung
geben - sie bewirkt nichts. Denn der Nutzen der Betroffenen ist
ungleich größer als der sowieso nur temporäre Imageschaden. Wechsel
von der Politik in die Wirtschaft sind nicht per se verwerflich. Aber
klare und strenge Regeln sind nötig. Das Gesetz ist zu zahm. Die
Bundesregierung kann bei einem Interessenkonflikt eine Karenzzeit von
zwölf, in Ausnahmen von 18 Monaten verhängen. Besser wäre eine
Muss-Regelung, die über ein Jahr hinausgeht. Verboten sollte sein,
schon während der Amtszeit über den Job danach zu verhandeln. Und es
sollte nicht das Kabinett entscheiden dürfen, sondern ein
unabhängiges Gremium.
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