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Die OEW reichen Verfassungsbeschwerde gegen das Nachhaftungsgesetz ein (FOTO)

Geschrieben am 12-12-2017

Ravensburg (ots) -

EnBW-Aktionär sieht Verstoß gegen Rechtsstaatsprinzip // Gesetz
dehnt Haftung unrechtmäßig auf Landkreise und deren Bürgerinnen und
Bürger aus // Handwerkliche Fehler machen Nachhaftungsgesetz faktisch
zu einem "Lex EnBW" // Rechtsunsicherheit verhindert Zusammenarbeit
der beiden großen EnBW-Gesellschafter

Die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) haben heute eine
Verfassungsbeschwerde gegen das Nachhaftungsgesetz beim
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Das Gesetz weitet
nach Einschätzung der OEW die Haftung für Abbau- und
Entsorgungskosten im Kernenergiebereich rechtsstaatswidrig auf bisher
nicht haftende Gesellschafter wie die OEW aus. Damit verstößt es
gegen das Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz) sowie
die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Artikel 28 Absatz 2 GG).

"Wir halten die Intention des Nachhaftungsgesetzes für vollkommen
legitim. Es soll verhindern, dass sich Energiekonzerne ihrer
finanziellen Verantwortung für den deutschen Atomausstieg entziehen
können und der Staat und seine Steuerzahler für die Folgekosten
aufkommen müssen. Gut gedacht ist aber nicht automatisch gut gemacht.
Das Gesetz dehnt die Haftung de facto auf bisher nicht haftende
Gesellschafter wie die OEW aus. Das halten wir für
verfassungswidrig", so Lothar Wölfle, Vorsitzender des Zweckverbands
OEW und Landrat des Bodenseekreises. "Als Interessenvertreter der im
Zweckverband OEW zusammengeschlossenen Landkreise kommen wir mit der
Verfassungsbeschwerde unserer treuhänderischen Pflicht gegenüber den
Landkreisen und ihren Bürgerinnen und Bürgern nach - auch wenn das
Haftungsrisiko aufgrund der stabilen Entwicklung der EnBW aus
heutiger Sicht sehr theoretischer Natur ist."

Der Zweckverband OEW ist ein Zusammenschluss von neun
oberschwäbischen Landkreisen (Alb-Donau-Kreis, Biberach,
Bodenseekreis, Freudenstadt, Ravensburg, Reutlingen, Rottweil,
Sigmaringen, Zollernalbkreis), der über die OEW Energie-Beteiligungs
GmbH mit 46,75 Prozent an der EnBW AG beteiligt ist. Als
Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht treten der
Zweckverband OEW, die OEW Energie-Beteiligungs GmbH sowie der
Landkreis Alb-Donau-Kreis auf.

Nachhaftungsgesetz schießt über sein eigentliches Ziel hinaus

Das Nachhaftungsgesetz (Gesetz zur Nachhaftung für Abbau- und
Entsorgungskosten im Kernenergiebereich) wurde am 27. Januar 2017 vom
Deutschen Bundestag verabschiedet. Es ist mit der beihilferechtlichen
Genehmigung der EU-Kommission im Juni 2017 in Kraft getreten. Das
Gesetz hat zum Ziel, die finanziellen Risiken für öffentliche
Haushalte im Zusammenhang mit der Stilllegung, dem Rückbau und der
Entsorgung von radioaktiven Abfällen von Kernkraftwerken zu
reduzieren. Energieunternehmen sollten sich über eine
Restrukturierung oder den Verkauf ihres Kernkraftgeschäfts nicht von
der Haftung befreien können. Die ursprüngliche Haftungssituation
sollte konserviert werden. Faktisch hat der Gesetzgeber die Haftung
aber mit dem Nachhaftungsgesetz auf bisher nicht haftende
Gesellschafter erweitert. Mehrheitsaktionäre - also herrschende
Unternehmen - verlieren im Fall einer Insolvenz eines Energiekonzerns
nicht mehr nur ihre Kapitaleinlagen. Sie sollen künftig auch für
dessen Verbindlichkeiten haften. Diese Regelung ist aus Sicht der OEW
grundgesetzwidrig.

Das Nachhaftungsgesetz hebt damit nämlich einen für das
Kapitalgesellschaftsrecht tragenden Grundsatz auf: die Trennung von
Privat- und Gesellschaftsvermögen. Aktionäre haften nicht mit ihrem
Privatvermögen für die Verbindlichkeiten von Kapitalgesellschaften.
Für die OEW wird dieses Trennungsprinzip nun rückwirkend außer Kraft
gesetzt. Dabei handelt es sich um einen Verstoß gegen das
Rechtsstaatsprinzip. Die Erweiterung der Haftung auf nicht haftende
Gesellschafter war nicht erforderlich, um das eigentliche Ziel - die
Konservierung der Haftungsmasse - zu erreichen.

"Eine Ungleichbehandlung, die wir nicht hinnehmen können"

De facto stellt das Nachhaftungsgesetz eine existenzielle
Bedrohung für den Zweckverband OEW und die neun oberschwäbischen
Landkreise dar. Aufgrund der mangelnden Insolvenzfähigkeit des
Zweckverbands OEW wären die Landkreise - und damit ihre Bürgerinnen
und Bürger - im theoretischen Fall einer Insolvenz der EnBW AG in der
Nachschusspflicht. Das widerspricht dem Leitgedanken des
Nachhaftungsgesetzes und hebelt die Selbstverwaltungsgarantie der
Landkreise aus.

"De facto ist das Nachhaftungsgesetz ein Lex EnBW", so Lothar
Wölfle. "Zwar hat das Nachhaftungsgesetz vier Adressaten. Faktisch
trifft die Haftungserweiterung aber ausschließlich die beiden
EnBW-Hauptgesellschafter. Das ist eine Form der Ungleichbehandlung,
die wir nicht hinnehmen können - erst recht vor dem Hintergrund, dass
E.ON seine Haftungsmasse durch eine Lücke im Gesetz sogar reduzieren
konnte."

Wölfle weiter: "Es ist ein absolutes Novum, dass
Mehrheitsaktionäre rückwirkend in die Haftung einer
Kapitalgesellschaft einbezogen werden. In diesem spezifischen Fall
ginge das letzten Endes sogar zu Lasten der Steuerzahler in
Baden-Württemberg. Dabei könnte man die handwerklichen Fehler des
Gesetzes mit nur geringfügen Korrekturen beseitigen und das Gesetz
somit verfassungskonform gestalten."

Aktionärsvereinbarung Ende 2015 aufgelöst

In den ersten Referentenentwürfen des Nachhaftungsgesetzes bezog
sich die Haftungserweiterung auf "herrschende Unternehmen". Die OEW
haben den Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass man die
Aktionärsvereinbarung mit der Neckarpri-Beteiligungsgesellschaft mbH
unter diesen Umständen auflösen müsse. Erst danach wurde die
Gesetzesbegründung um die Passage ergänzt, die auch
Minderheitsgesellschaftern ohne Aktionärsvereinbarung einen
beherrschenden Einfluss unterstellt. Zur Sicherheit haben die
Neckarpri-Beteiligungsgesellschaft mbH und die OEW
Energie-Beteiligungs GmbH ihre Aktionärsvereinbarung Ende 2015
dennoch aufgelöst. Es bleibt aber unklar, ob sich eine Haftung der
OEW tatsächlich vermeiden lässt. Gerichte könnten das Gesetz so
auslegen, dass auch zwei Großaktionäre ohne Aktionärsvereinbarung
einen beherrschenden Einfluss ausüben können. Mit dem
Nachhaftungsgesetz ist somit eine erhebliche Rechtsunsicherheit
entstanden.

"Die EnBW ist ein gesundes Unternehmen, das die Energiewende
erfolgreich meistert", sagt Barbara Endriss, Geschäftsführerin des
Zweckverbands OEW. "Aber der Unternehmensumbau ist noch lange nicht
abgeschlossen. Wir können uns jedoch bei wichtigen strategischen
Entscheidungen mit dem EnBW-Gesellschafter Baden-Württemberg nicht
mehr abstimmen. Das ist absolut kontraproduktiv. Auch deshalb wehren
wir uns mit dieser Verfassungsklage."

Beraten und vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten werden die
Kläger von den Stuttgarter Anwälten Dr. Gert Brandner (Haver &
Mailänder Rechtsanwälte) und Dr. Thomas Würtenberger (Wuertenberger
Rechtsanwälte).



Pressekontakt:
HERING SCHUPPENER

Folker Dries
Tel.: 0151 16231556
E-Mail: fdries@heringschuppener.com

Tanja Dorr
Tel.: 0175 2967716
E-Mail: tdorr@heringschuppener.com

Original-Content von: Oberschwäbische Elektrizitätswerke, übermittelt durch news aktuell


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