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Nach der Paketflut: Wie Innenstädte künftig beliefert werden können (FOTO)

Geschrieben am 27-12-2017

Hamburg (ots) -

Interview mit Roger Hillen-Pasedag, Bereichsleiter Strategy,
Innovation & CR bei Hermes Germany, zur Zukunft der Paketzustellung

Herr Hillen-Pasedag, eine Rekord-Weihnachtszeit liegt hinter uns.
Noch nie sind so viele Pakete zugestellt worden, das hat die
Logistikunternehmen an den Rand der Leistungsfähigkeit gebracht. Ist
die immer weiter wachsende Paketflut noch zu schaffen?

Hillen-Pasedag: Wir investieren dreistellige Millionenbeträge in
den Ausbau unserer Infrastruktur. Damit bauen wir neue
Logistikzentren, erweitern die Zahl unserer Paketshops und führen
neue Technologien ein. Doch vor allem im Bereich der Paketzusteller
stoßen wir an Grenzen. Es gibt immer weniger Menschen, die diese
Tätigkeit ausüben wollen. Hier werden wir künftig neue Lösungen
erarbeiten müssen und dabei hilft uns sicherlich der technologische
Fortschritt im Bereich der Digitalisierung. So realisieren wir
beispielsweise derzeit ein Projekt, das gezielt den technologischen
Fortschritt in den Bereichen E-Mobilität und alternativer
Zustellsysteme auf der Letzten Meile nutzt. Dies wird uns bereits in
wenigen Jahren in die Lage versetzen eine emissionsfreie
Paketzustellung in den Städten verwirklichen.

Die Realität sieht noch anders aus: Autofahrer ärgern sich über
die in zweiter Reihe parkende Fahrzeuge, die Diesel- und
Feinstaubdebatte stellt auch die Zukunft des Lieferverkehrs in Frage.
Wie reagieren sie darauf?

Hillen-Pasedag: Ich bin überzeugt, dass gerade in den urbanen
Zentren, in die mittlerweile fast 70 Prozent unserer Zustellungen
gehen, die Logistik neu aufgesetzt werden muss. City-Hubs oder Micro
Depots, aus denen heraus die Zusteller die Pakete zum Beispiel mit
Elektrofahrrädern ausfahren, sind hier eine spannende Option. Wir
haben bereits eine ganze Reihe von elektrisch betriebenen
Lastenfahrrädern getestet - das funktioniert gut! Doch die Umstellung
der innerstädtischen Logistik kann nicht nur Aufgabe der Unternehmen
sein. Dafür ist eine neue Infrastruktur notwendig, also einerseits
Micro Depots, aber auch Ladestationen für die Elektrofahrzeuge. Und
hier brauchen wir die Unterstützung der Kommunen, etwa bei der
Bereitstellung von Flächen.

Die Automobilindustrie hat spätestens seit dem Diesel-Skandal das
Thema Elektromobilität für sich entdeckt. Hilft Ihnen diese
Entwicklung?

Auf jeden Fall! Wir kooperieren mit Daimler und werden bis 2020
insgesamt 1.500 E-Fahrzeuge auf die Straße bringen. Hier kommen zwei
Partner zusammen, die sich sehr gut ergänzen: Ein
Technologiehersteller, der eine neue Antriebsform im gewerblichen
Bereich zur Serienreife bringen will, und ein Player wie Hermes, der
die Reichweite und das Paketvolumen mitbringt, um solche Systeme
unter realen Bedingungen zu testen und sein langjähriges logistisches
Know-how einbringt.

Ein weiteres großes Thema der Verkehrsbranche ist autonomes Fahren
und Roboter - wie schätzen Sie die Chancen ein, dass uns künftig
Roboter Pakete zustellen?

Wir haben beim Test des Starship-Roboters wichtige Erfahrungen
gesammelt, die uns jetzt nutzen, um die Erfolgsfaktoren von
alternativen Zustellformen besser bewerten zu können. Entscheidend
wird es sein, wie stark für den Endkunden mit solchen oder ähnlichen
Lösungen ein Zusatznutzen verbunden ist. Nur so werden wir es
schaffen, auch neue Zustellformen für Kunden attraktiv zu machen. Der
Test mit den Starship-Robotern hat gezeigt, dass der Nutzen für den
Endkunden noch zu gering ist, um einen solchen Service als
alternative Zustellform regelmäßig zu nutzen. Paketlogistik aber ist
ein Massengeschäft. Es braucht also skalierungsfähigere Lösungen auf
Basis attraktiverer "Customer Journeys".

Aber könnten autonome Paketfahrzeuge eines Tages neben dem Boten
herfahren, damit der nicht ständig ein- und aussteigen muss?

Hillen-Pasedag: Das macht nur da Sinn, wo es sehr viele Sendungen
in begrenzten Räumen gibt. Darüber hinaus haben wir ja heute das
Phänomen, dass der Großteil der Pakete an die Haustür geht, obwohl
die Mehrheit der Empfänger gar nicht zu Hause ist. Die Frage, der wir
uns mittelfristig noch intensiver stellen müssen, ist also: Wie kann
der Paketstrom insofern effizienter gestaltet werden, dass die
Zustellung sich möglichst optimal in den Alltag des Konsumenten
integrieren lässt? Wohnort, Einkaufsstätten, Arbeitsplatz,
öffentliche Transportknotenpunkte etc. sind zentrale Hotspots in den
Bewegungsmustern unserer Kunden - da müssen wir ran. Hier wird es
nicht für alle pauschale Lösungen geben, wohl aber Lösungen, die sich
gut in den Tagesablauf der Kunden integrieren und dabei auch die
stetig wachsende Masse an Paketen bewältigen können. Ob sich die
klassische Haustürzustellung als Standardservice noch
aufrechterhalten lässt, ist aus meiner Sicht fraglich. Neben den
Chancen, die technologische Entwicklungen bieten, um die Convenience
für die Kunden im Paketempfang zu erhöhen, muss es hier sicherlich
auch ein Umdenken im Paketempfang bei den Kunden geben. Verstärkte
Lieferungen an PaketShops oder andere Pick-Up Points sind Lösungen,
die wir diskutieren.

Im Gegensatz zu einigen Wettbewerbern testen Sie keine Drohnen.

Hillen-Pasedag: Wir verfolgen die Entwicklungen in dem Bereich
intensiv, sehen derzeit aber keine wirklich wirtschaftlichen
Anwendungsfälle in unserem Geschäftsmodell. Drohnen bieten Vorteile
da, wo es um schnelle Lieferungen einzelner Sendungen in entlegene
Gebiete geht, auf eine Alm oder Insel. Unsere Sendungen gehen zu fast
70 Prozent in urbane Metropolregionen. Die Zustelltouren umfassen
hier oft deutlich mehr als 100 Pakete. Aktuell ist es nur schwer
vorstellbar, wie Drohnen solche Paketmassen bewältigen können. Ich
bin aber gespannt, was hier die technologische Entwicklung bringen
wird. Vielleicht gibt es eines Tages zentrale Lande- und
Ladestationen im Metropolbereich - da muss man sehen, was passiert.
Und wie es so oft mit völlig neuen Technologien ist; am Ende werden
vermutlich der Einsatz und das Potential ganz woanders liegen als
dort, wo wir heute noch denken.

Was halten Sie von der Idee, den Kofferraum des Autos als
Paketablage zur Verfügung stellen?

Hillen-Pasedag: Als eine Art Premiumzustellung wäre das
interessant. Für die Zustellung vieler Pakete jedoch ist das eher
eine Sonderform. Trotz der fortschreitenden Entwicklungen im Bereich
der "Connected Cars" ist der wesentliche Teil der Fahrzeuge, die
heute auf den Straßen unterwegs sind, noch nicht connected. Das aber
müssen sie für so einen Service zwingend sein. Gleichzeitig müssten
die Autos dort stehen, wo sie einfach und schnell durch die
Paketzusteller erreichbar sind. Mein Wagen steht z.B. meistens in
einer Tiefgarage, also dort, wo ein Zugang für Paketboten schwer oder
gar unmöglich ist. Wenn der Zusteller erstmal eine halbe Stunde
durchs Parkhaus laufen muss macht das wenig Sinn. Meines Erachtens
wird sich der Besitz von Autos ohnehin stark ändern, da muss man sich
fragen: Ist der Kofferraum wirklich spannend? Viel interessanter sind
aus meiner Sicht die Potentiale, die sich aus neuen
Mobilitätskonzepten entwickeln. Das wird sehr spannend
vorauszudenken, wie sich die Paketzustellung in neue urbane
Mobilitätskonzepte noch stärker integrieren lässt. In den USA werden
z.B. gerade mobile Abholstationen getestet, also Abholpunkte, die
nicht fest installiert sind an einem Ort, sondern sich zu bestimmten
Zeiten des Tages an flexiblen Orten befinden - also dort, wo sich die
Kunden bewegen. Das ist eine interessante Option. Mit den
technologischen Entwicklungen im Bereich der autonomen Fahrzeuge wird
das nochmals spannender. Autonome Fahrzeuge könnten z.B. Zusatztouren
übernehmen oder auch die klassische Zustellung an der Haustür ganz
neu gestalten. Dafür bräuchte es aber natürlich auch entsprechende
gesetzliche Rahmenbedingungen.



Pressekontakt:
Ingo Bertram
+49 (0)40/5 37 55-537
ingo.bertram@hermesworld.com

Original-Content von: Otto Group, übermittelt durch news aktuell


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