Mittelbayerische Zeitung: "Letzte Ausfahrt Groko" / Ein Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung Regensburg zur Regierungsbildung
Geschrieben am 07-01-2018 |
Regensburg (ots) - Wenn sich drei zuvor schmerzhaft abgestürzte
Skispringer zusammen tun, sollte man eigentlich keine neuerlichen
Höhenflüge erwarten. Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz
sind solche gestrauchelten Flieger. Von den Wählern wurde ihnen am
24. September nur wenig Aufwind beschert. Hinzu kommen miserable
Haltungsnoten in den Wochen und Monaten nach der Wahl sowie nach dem
Jamaika-Absturz. All das sind eigentlich schlechteste Voraussetzungen
für ein Wiederaufleben einer Groß-Koalition. Dennoch, unmöglich ist
eine Groko der Verantwortung für Deutschland nicht. Es müssten nur
alle Sondierer in Berlin über ihren kleinen parteipolitischen
Schatten springen. Schwierig wird das vor allem für die
vorwahlkämpfenden Christsozialen. Zwar ist der lähmende
Führungsstreit zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und Markus Söder
vorerst beigelegt und auf der Klausurtagung im oberbayerischen Seeon
übte man sich im knallharten Fordern. Doch spätestens am Berliner
Verhandlungstisch dürfte Seehofer, Dobrindt und Co. klar werden, dass
markige CSU-Forderungen im Bund nicht eins zu eins durchsetzbar sind.
Nicht einmal gegenüber der Kanzlerin, erst recht nicht gegenüber
einer SPD, die selbst verzweifelt nach Profil sucht. Das Kunststück
wird nun darin bestehen, dass solch ideologisch aufgeladene Themen
wie etwa der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem
Schutzstatus mit für alle Seiten tragbaren Kompromissen entschärft
werden. Mit einer "konservativen Revolution" freilich, wie sie
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt jetzt ausgerufen hat, dürfte
eine neue Groko - wenn sie denn überhaupt zustande kommt - so viel zu
tun haben wie Gustav mit Gasthof. Der Ex-Verkehrsminister ist
offenbar über Nacht wieder in seine einstige Rolle als wadenbeißender
CSU-Generalsekretär zurückgefallen. Doch was genau Dobrindt mit
seinem schwammigen Kampfbegriff meint, erklärt er nicht. Dobrindt
müsste schon klar sagen, woher eine konservativ-revolutionäre CSU
ihre Anleihen nimmt. Der von der CSU gehätschelte ungarische
Regierungschef Viktor Orban jedenfalls taugt nicht als Ratgeber für
verantwortbare deutsche Politik. Nicht weniger schwer als die CSU hat
es der angeschlagene SPD-Chef Martin Schulz. Er verhandelt
gewissermaßen in Geiselhaft seiner Partei. Dass er gleich nach der
Bundestagswahl die SPD auf Opposition und nichts weiter einnordete,
rächt sich jetzt. Der Eiertanz von Schulz zwischen Neuwahlen, einer
Nur-Kooperation mit der Union oder doch einer Groko nervt einfach. Es
wird immer deutlicher, da steht einer, der nicht viel von klarer
politischer Führung versteht und sich mit seinem Wischiwaschi auch
noch hinter dem Rücken der Partei verschanzt. Die
Jamaika-Balkon-Gespräche platzten auch, weil Angela Merkel nicht klar
genug führte und sie die Ablehnung der Liberalen gegen ihre Person
unterschätzt hatte. So etwas darf der eigentlich kühlen Managerin der
Macht nicht noch einmal passieren. Dass es diesmal professioneller,
das heißt auch diskreter und ohne die ständigen
Wasserstands-Twittereien aus den Gesprächen abgehen muss, ist eine
Voraussetzung für den Erfolg der Sondierungen. Gleich nach dem
schmählichen Scheitern von Jamaika galt vielen Bürgen im Land eine
erneute Groß-Koalition als rettender Strohhalm. Doch diese Hoffnung
bröckelt dramatisch, je mehr sich eine Regierungsbildung hinzieht.
Die letzte Ausfahrt Groko sollte nun genommen werden. Um Schaden vom
Land abzuwenden, um nicht weiteres Vertrauen in die gewählten
Politiker zu verlieren, vor allem aber um die Zukunft des Landes
nicht zu verspielen.
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