"Decke auf, wo Atmen krank macht" - Deutsche Umwelthilfe startet bundesweite Mitmach-Aktion für "Saubere Luft"
Geschrieben am 10-01-2018 |
Berlin (ots) - Unter Dieselabgasen leidende Bürger sollen unter
www.duh.de/abgasalarm bisher unbeachtete Hot-Spots der
Luftverschmutzung melden - DUH wird im Februar zeitgleich an 500
Orten bzw. Stadtteilen die Belastung der Atemluft mit dem
Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) messen - Amtliches Messnetz
mit 247 verkehrsnahen Messstationen reicht nicht aus, um das Ausmaß
der NO2-Belastung in Deutschland ausreichend zu erfassen - DUH wird
an doppelt so vielen verkehrsnahen Punkten wie das Umweltbundesamt
die NO2-Werte ermitteln und aufzeigen, dass in weit mehr als den
bisher bekannten 90 Städten gesundheitsschädliche Konzentrationen des
Abgasgifts die Luft verpesten - Umweltverband geht von mehreren
hundert Städten und Gemeinden aus, in denen Diesel-Fahrverbote bzw.
technische Nachrüstungen nötig sind, um die Schadstoff-Grenzwerte
einzuhalten
Das offizielle Messnetz für Stickstoffdioxid (NO2) ist mit
bundesweit 247 verkehrsnahen Messstationen aus Sicht der Deutschen
Umwelthilfe (DUH) zu grobmaschig, um das Ausmaß der NO2-Belastung in
Deutschland ausreichend abzubilden. Die meisten der knapp über 11.000
Städte und Gemeinden in Deutschland wähnen sich somit als nicht vom
Abgasproblem betroffen. Tatsächlich werden an stark befahrenen
Straßen auch in mittelgroßen oder kleinen Gemeinden ähnlich hohe
NO2-Konzentrationen gemessen, wie an Hauptverkehrsstraßen von
Großstädten.
Um unter schmutzigen Dieselabgasen leidenden Menschen an ihrem
Wohnort, Arbeitsplatz, der Schule oder dem Kindergarten zu helfen,
startet die DUH heute unter dem Motto "Decke auf, wo Atmen krank
macht" die bisher umfangreichste Messaktion für den Luftschadstoff
NO2. Über die Internetadresse www.duh.de/abgasalarm können Bürger
Straßenabschnitte in ihrer Gemeinde mit einer besonders hohen
Luftverschmutzung melden. Unter den eingehenden Vorschlägen wählt die
DUH in einem ersten Schritt 500 Orte und freiwillige Helfer für die
im Februar simultan durchgeführten Messungen der Luftqualität aus.
Die Ergebnisse werden Mitte März 2018 erwartet.
"Am Dieselabgasgift NO2 sterben in Deutschland vier Mal so viele
Menschen wie durch Verkehrsunfälle. Wir möchten mit unserer
Mitmach-Aktion den Bürgern eine Stimme geben, die abseits des viel zu
lückenhaften amtlichen Messnetzes an den Abgasen der Dieselfahrzeuge
leiden und daher bisher keine Aussicht auf Verbesserung ihrer
Lebenssituation haben", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der
DUH. "Die Gefahr liegt in der Luft - und zwar nicht nur in den 90
Städten mit amtlich bestätigten Grenzwertüberschreitungen. Wir gehen
davon aus, dass wir durch unsere Messungen an 500 bisher nicht im
Messnetz enthaltenen Orten mehrere hundert weitere Hot-Spots der
Luftverschmutzung identifizieren können", so Resch weiter.
Regionale und örtliche Messungen von Rundfunkanstalten wie dem SWR
in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und dem RBB in Berlin sowie
des Vereins Green City in München haben bereits einige Dutzend bisher
unbekannte NO2-Problemorte ermittelt. Es zeigte sich, dass auch in
kleineren Gemeinden oder Randzonen von Großstädten vielerorts die
Grenzwerte für das Dieselabgas NO2 teils erheblich überschritten
werden.
Für die vom 1. Februar bis zum 1. März 2018 geplanten Messungen
setzt die DUH auf eine bewährte und amtlich zugelassene Technik.
Mittels Passivsammlern wird die DUH in 500 Gemeinden bzw. Stadtteilen
in Deutschland die NO2-Belastung in der Atemluft ermitteln. Dabei
wird die DUH auch viele Orte untersuchen, in denen bisher nur die
sogenannte "Hintergrundbelastung" erfasst wurde. "Es ist ein bis
heute andauerndes Ärgernis, dass in zahlreichen deutschen Gemeinden
bei der Luftverschmutzung aus Dieselmotoren absichtlich weggeschaut
wird, indem die amtlichen Messstellen fernab in Parkanlagen oder auf
der grünen Wiese platziert wurden, von wo sie dauerhaft niedrige
Werte melden", sagt Resch. Von den 535 amtlichen Messstationen des
Umweltbundesamtes sind nur 247 "scharf gestellt", das heißt an
verkehrsnahen Orten aufgestellt. "288 amtliche Messstationen messen
praktisch nur das Hintergrundrauschen. Durch das lückenhafte Messnetz
leiden viele hunderttausend Menschen in Deutschland unerkannt an zu
hohen Dieselabgaswerten. Sie werden damit im Unklaren gelassen über
die Gefahren in der Atemluft ihrer Lebensumgebung", kritisiert Resch.
Laut eines im Herbst 2017 von der EU-Kommission veröffentlichten
Berichts der Europäischen Um-weltagentur ist NO2 für jährlich 12.860
vorzeitige Todesfälle in Deutschland verantwortlich. Dabei ist der
EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid zum Schutz der menschlichen
Gesundheit bereits seit 2010 einzuhalten. Die DUH klagt derzeit 19
Städten für saubere Luft und hat alle bisher entscheidenden Verfahren
gewonnen. Doch auf Druck der Autokonzerne weigert sich die
Bundesregierung bisher, ebenso wie auch alle von der DUH beklagten
Landesregierungen, die in Gerichtsentscheidungen benannten
notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung einer "Sauberen Luft" für
unsere Städte zu ergreifen und die Bürger wirksam vor den giftigen
Dieselabgasen zu schützen.
"Anfang Februar plant Bundeskanzlerin Angela Merkel den nunmehr
vierten Diesel-Gipfel in fünf Monaten. Nicht einmal die Finanzierung
der den Gemeinden versprochenen eine Milliarde Euro Sofortmittel für
die Beseitigung der Luftverschmutzung ist geklärt. Und auf eine
behördlich angeordnete technische Nachrüstung als einzig wirksame
Maßnahme, den neun Millionen von Diesel-Fahrverboten bedrohten
Besitzern von Euro 5+6 Diesel-Pkw zu helfen, verzichtet die
Bundesregierung auf Druck von BMW, Daimler und Volkswagen. Mit
Micky-Maus-Software-Updates und Bewilligungsbescheiden nur für neue
Maßnahmenpläne wird die Luft nicht sauber."
Die DUH fordert flächendeckende Messungen, auch an Kitas, Schulen
und anderen Orten, die täglich passiert werden und an denen Menschen
leben.
Da moderne Euro 5+6 Diesel-Pkw mit ihren Stickoxid-Emissionen
erheblich zur Vergiftung der Atemluft beitragen, müssen diese
technisch nachgerüstet oder mittels Fahrverboten von der Einfahrt in
belastete Gebiete ausgesperrt werden.
Da sich Deutschland bislang unter anderem weigert,
Diesel-Fahrverbote zu erlassen, hat die EU-Kommission bereits 2015
ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Am 25. Januar 2018
entscheidet sie über die Klageerhebung vor dem Europäischen
Gerichtshof gegen die Bundesrepublik Deutschland. Am 22. Februar 2018
verhandelt das Bundesverwaltungsgericht Leipzig über die Zulässigkeit
von Diesel-Fahrverboten.
Hintergrund:
Die Messungen mit Passivsammlern sind ein international
anerkanntes Messverfahren, das auch von den zuständigen Landesämtern
ergänzend angewandt wird. Die DUH arbeitet für ihre Messaktion mit
dem akkreditierten schweizerischen Analyselabor Passam AG zusammen.
Das Labor wird auch die Auswertung vornehmen.
Passivsammler sind kleine Röhrchen, in denen sich eine chemische
Substanz befindet, die die Messkomponente - in Fall der DUH-Messung
Stickstoffdioxid (NO2) - bindet. Sobald das Röhrchen geöffnet wird,
wird der Messprozess in Gang gesetzt. Der Wert der NO2-Konzentration
in der Luft wird durch eine chemische Analyse nach Ablauf des
Messzeitraumes ermittelt.
Pro Messort wird mit zwei Passivsammlern gemessen, um
Fehlmessungen auszuschließen. Der Messzeitraum von vier Wochen
entspricht den Standards und ermöglicht ein valides Ergebnis ohne
nennenswerten Einfluss saisonaler Schwankungen.
Ablauf:
Über ein Anmeldeformular unter www.duh.de/abgasalarm kann der DUH
mitgeteilt werden, an welchen Orten gemessen werden sollte. Der
Schwerpunkt wird auf Orten oder Stadtteilen mit hohem
Verkehrsaufkommen liegen. Gerade in stark befahrenen
Straßenschluchten mit wenig Luftaustausch, an Straßenkreuzungen oder
-einmündungen ist die Stickstoffdioxidbelastung oft besonders hoch.
Einsendeschluss für die vorgeschlagenen Messorte ist der 21. Januar
2018.
Links:
Informationen zur Mitmach-Aktion: www.duh.de/abgasalarm
Hintergrundpapier Klagen für Saubere Luft: http://l.duh.de/p180110
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe
Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell
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